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Die Stimmeninsel

Titel: Die Stimmeninsel
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Zwieback und trockene Kleider und fragten ihn, wie er so weit in die See hinausgekommen wäre und ob das Licht, das sie gesehen hätten, der Leuchtturm Lae o Ka Laau wäre. Aber Keola wußte, daß die Weißen wie Kinder sind und nur an ihre eigenen Geschichten glauben; so erzählte er ihnen denn über sich selber, was ihm gerade einfiel, und in bezug auf das Licht – das natürlich Kalamakes Laterne gewesen war – erklärte er mit einem Schwur, er hätte keines gesehen.
    Dieses Schiff war ein Schoner, der nach Honolulu segeln und dann eine Handelsfahrt nach den Niedrigen Inseln machen sollte; und ein großes Glück für Keola hatte es so gefügt, daß der Schoner einen Mann verloren hatte, der in einer Bö vom Bugspriet gefallen war. Es hatte keinen Zweck, etwas dagegen zu sagen: Auf den acht Inseln durfte Keola sich nicht aufhalten. Worte laufen so schnell, und alle Leute haben so große Lust daran, zu schwatzen und Neuigkeiten zu erzählen, daß es ganz einerlei war, ob er sich am Nordende von Kauai oder am Südende von Kau aufgehalten hätte: Der Hexerich würde Wind davon bekommen, bevor ein Monat um wäre, und dann müßte er sterben. So tat er denn, was ihm das klügste zu sein schien, und wurde Matrose an Stelle des Ertrunkenen.
    In manchen Beziehungen war das Schiff eine gute Stelle; das Essen war außerordentlich gut und reichlich: Zwieback und Pökelfleisch gab es jeden Tag, und Erbsensuppe und Pudding von Mehl und Nierenfett zweimal in der Woche, so daß Keola fett wurde. Auch war der Kapitän ein guter Mann, und die Mannschaft war nicht schlimmer, als andere Weiße sind. Das Unangenehme war der Steuermann – einen Menschen, der so schwer zufriedenzustellen war, hatte Keola in seinem Leben noch nicht getroffen: Tagtäglich schlug er ihn und schalt ihn, sowohl für das, was er tat, wie für das, was er nicht tat. Die Püffe, die er austeilte, taten sehr weh; denn er war stark. Und die Worte, die er gebrauchte, waren sehr unschmackhaft für Keola; denn der stammte aus einer guten Familie und war an Respekt gewöhnt. Das schlimmste von allem aber war dies: Sooft Keola einmal ein bißchen Gelegenheit zum Schlafen fand, war der Steuermann wach und munterte ihn mit einem Tauende auf. Keola sah, das würde nie und nimmer gut gehen, und so beschloß er davonzulaufen.
    Sie waren ungefähr einen Monat von Honolulu weg, als sie Land sahen. Es war eine schöne Sternennacht; die See war glatt und der Himmel hell; es blies ein beständiger Passatwind, und die Insel lag ihnen im Luv, wie ein Band von Palmbäumen, platt auf der See. Der Kapitän und der Steuermann sahen mit dem Nachtglas nach der Insel hinüber und nannten ihren Namen und redeten von ihr, und das geschah neben dem Steuerrad, an welchem Keola steuerte. Wie es schien, war es eine Insel, wohin keine Händler kamen. Nach des Kapitäns Meinung war es sogar eine Insel, worauf keine Menschen wohnten; aber der Steuermann war anderer Meinung und sagte:
    »Was im ›Directory‹ steht, da geb ich keinen Cent drauf! Ich bin einmal nachts auf dem Schoner ›Eugenie‹ vorbeigefahren; es war gerade so eine Nacht wie heute; sie fischten mit Fackeln, und der Strand war dick besetzt mit Lichtern wie eine Stadt.«
    »Na, schön«, sagte der Kapitän, »der Strand fällt steil ab, das ist für uns die Hauptsache, und nach der Karte sind keine gefährlichen Klippen unter Wasser; so wollen wir dicht heran unter Lee gehen. Lege voll herum, hörst du nicht!« rief er Keola zu, der so aufmerksam zuhörte, daß er das Steuern vergaß.
    Und der Steuermann fluchte und schwur, dieser Kanake sei auf der ganzen Welt zu nichts nutze, und wenn er einmal mit einem Belegnagel über ihn käme, das würde für Keola ein kalter Tag sein.
    Und dann legten Kapitän und Steuermann sich auf dem Kajütendach zum Schlafen nieder, und Keola war sich allein überlassen.
    »Diese Insel wird mir sehr gut gefallen«, dachte er bei sich, »wenn keine Händler hierherkommen, wird auch der Steuermann niemals kommen. Und Kalamake kann unmöglich mich hier auf dieser Insel finden; dazu ist sie zu weit entfernt.«
    Somit brachte er den Schoner immer näher an den Strand heran. Er mußte dies ganz sachte tun, denn mit diesen Weißen und vor allem mit dem Steuermann war das Unangenehme dies, daß man niemals wußte, wie man mit ihnen dran war; sie schliefen alle ganz fest oder taten wenigstens so, und wenn ein Segel flappte, sprangen sie plötzlich auf die Füße und fielen mit einem Tauende über einen
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