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Die Stimmeninsel

Titel: Die Stimmeninsel
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Sprache, von der er nur so wenig gehört hatte, als er mit dem Hexerich auf der Matte an den Strand gekommen war. Aber bezüglich seines Weibes war kein Irrtum möglich; denn sie war dasselbe Mädchen, das schreiend vor ihm in den Wald geflüchtet war. So war er denn so weit gesegelt und hätte ebensogut in Molokai bleiben können! Und hatte Heimat und Weib und alle seine Freunde verlassen, einzig und allein um seinem Feinde zu entrinnen, und nun war der Ort, wohin er gekommen war, dieses Zauberers Jagdgrund, war der Strand, auf dem er unsichtbar ging! Während dieser Periode hielt er sich möglichst nahe an der Lagune und blieb, nach Möglichkeit, in seiner Hütte in Deckung.
    Der Grund seiner Freude in der zweiten Periode waren Gespräche, die er mit seiner Frau und den vornehmsten unter den Insulanern hatte. Keola selber sagte wenig. Er traute seinen neuen Freunden niemals so recht; nach seiner Meinung waren sie zu höflich, um aufrichtig zu sein; denn seitdem Keola seinen Schwiegervater besser kennengelernt hatte, war er vorsichtiger geworden. Darum sagte er ihnen über sich selber weiter nichts als seinen Namen und seine Abstammung und erzählte, daß er von den acht Inseln komme, und was für schöne Inseln das seien, und von des Königs Palast in Honolulu, und wie er selber ein Hauptfreund des Königs und der Missionare sei. Aber er stellte viele Fragen und erfuhr viel. Die Insel, auf der er sich befand, wurde die Stimmeninsel genannt; sie gehörte dem Stamm, aber ihre Heimat hatten sie auf einer anderen Insel, zu der man drei Stunden nach Süden zu segeln hatte. Dort wohnten sie und hatten ihre ständigen Häuser; es war eine reiche Insel, wo es Eier und Hühner und Schweine gab, und Schiffe kamen zum Handeln und brachten Rum und Tabak. Nach dieser Insel war der Schoner gefahren, nachdem Keola weggelaufen war. Dort war auch der Steuermann gestorben, ein rechter Narr von einem Weißen! Wie es schien, war der Schoner gerade zu Beginn der Jahreszeit gekommen, in der die Fische der Lagune giftig sind und jeder, der von ihnen ißt, aufschwillt und stirbt. Der Steuermann hörte davon; er sah die Boote zur Abfahrt rüsten, weil in jener Jahreszeit die Leute die Insel verlassen und nach der Stimmeninsel hinübersegeln; aber er war ein weißer Narr, der keine Geschichten glauben wollte als seine eigenen, und er fing einen von diesen Fischen, kochte ihn, aß ihn, schwoll auf und starb – was für Keola angenehm zu hören war.
    Die Stimmeninsel aber lag den größten Teil des Jahres einsam und verlassen; nur ab und zu kam eine Bootsmannschaft herüber, um Kopra zu holen, und in der schlechten Jahreszeit, wenn die Fische der Hauptinsel giftig waren, wohnte der ganze Stamm dort. Ihren Namen hatte sie von einem Wunder; denn wie es schien, war die Ozeanseite ganz und gar von unsichtbaren Teufeln eingenommen. Tag und Nacht hörte man sie miteinander in fremden Zungen reden; Tag und Nacht flammten auf dem Strande Feuerchen auf und erloschen; und die Ursache dieser Vorgänge konnte kein Mensch begreifen.
    Keola fragte sie, ob es ebenso auf ihrer eigenen Insel sei oder wo sie sonst wohnten; und sie sagten ihm: nein, dort nicht; ebensowenig auf irgendeiner anderen von mehreren hundert Inseln, die rund herum in diesem Teil der See lägen; sondern es sei eine besondere Eigentümlichkeit der Stimmeninsel. Sie sagten ihm ferner, diese Feuer und Stimmen seien immer nur an der Ozeanseite und in den Waldsäumen am Ozean zu bemerken, und ein Mensch könnte zweitausend Jahre lang an der Lagune leben – wenn er überhaupt so lange leben könnte – und würde niemals auch nur das geringste merken; doch auch an der Ozeanseite täten die Teufel einem nichts zuleide, wenn man sie in Ruhe ließe. Bloß einmal, da hätte ein Häuptling seinen Speer nach einer der Stimmen geworfen, und am selben Abend sei er von einer Kokospalme herabgestürzt und sei tot gewesen.
    Keola dachte viel nach. Er sah, daß er nichts zu befürchten hätte, wenn der Stamm nach der Hauptinsel zurückkehrte und er einfach bliebe, wo er jetzt wäre; er brauchte bloß bei der Lagune wohnen zu bleiben. Indessen dachte er, es wäre doch gut, wenn er seine Lage noch sicherer machen könnte. So erzählte er denn dem Oberhäuptling, er sei einmal auf einer Insel gewesen, die auf die gleiche Weise heimgesucht worden wäre, und die Leute dort hätten ein Mittel gefunden, sich die Störung vom Hals zu schaffen.
    »In dem Busch da wuchs nämlich ein gewisser Baum, und es
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