Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stimmeninsel

Titel: Die Stimmeninsel
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
Vaters Betragen.
    »Ich würde meinen Vater zufriedenlassen«, sagte Lehua, »es ist gefährlich, ihm in den Weg zu kommen.«
    »Soviel mache ich mir aus ihm!« rief Keola und schnippte mit den Fingern. »Ich halte ihn an der Nase. Er muß tun, was mir gefällt.«
    Und er erzählte Lehua die Geschichte. Aber sie schüttelte den Kopf und sagte:
    »Du kannst tun, was du magst; aber verlaß dich drauf, wenn du dich meinem Vater in den Weg stellst, wird man kein Wort mehr von dir hören. Denke an diesen, an jenen, denke an Hua; der war ein Edelmann und Mitglied des Hauses der Abgeordneten und ging jedes Jahr nach Honolulu; und kein Knöchelchen, kein Härchen von ihm wurde je gefunden. Erinnere dich an Kamau, wie er allmählich so dünn wurde wie ein Zwirnsfaden, so daß seine Frau ihn mit einer Hand hochheben konnte. Keola, du bist ein Säugling in meines Vaters Händen; er wird dich zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen und dich aufessen wie eine Garnele.«
    Nun war Keola allerdings wirklich vor Kalamake bange, aber er war auch eitel; und diese Worte seiner Frau machten ihn ärgerlich, und er sagte:
    »Nun schön! Wenn du so über mich denkst, dann will ich dir zeigen, wie sehr du dich irrst!«
    Und er ging stracks zu seinem Schwiegervater, der in dem Wohnzimmer saß, und sagte zu ihm:
    »Kalamake, ich möchte ein Hackbrett.«
    »So? Möchtest du?« sagte Kalamake.
    »Ja; und es ist wohl am besten, ich sage es dir klipp und klar: Ich will es unbedingt haben! Ein Mann, der Dollars am Strand aufpickt, kann gewiß ein Hackbrett kaufen.«
    »Ich hatte keine Ahnung, daß du so klug bist«, antwortete der Hexerich. »Ich dachte, du wärst ein blöder, zu nichts zu gebrauchender Junge, und ich kann dir gar nicht beschreiben, wie es mich freut, jetzt zu sehen, daß ich mich irrte. Jetzt möchte ich ja beinahe glauben, ich hätte bei meinem schwierigen Geschäft einen Helfer und einen Nachfolger dafür gefunden. Ein Hackbrett? Du sollst das beste haben, das es in Honolulu zu kaufen gibt. Und heute abend, sobald es dunkel ist, wollen wir beide, du und ich, losgehen und das Geld holen.«
    »Sollen wir wieder nach dem Strand gehen?« fragte Keola.
    »Nein, nein!« versetzte Kalamake. »Du mußt gleich anfangen, mehr von meinen Geheimnissen zu lernen. Das letzte Mal lehrte ich dich, Muscheln aufsammeln; diesmal werde ich dich lehren, Fische zu fangen. Bist du stark genug, Pilis Boot ins Wasser zu bringen?«
    »Ich denke wohl«, antwortete Keola. »Aber warum nehmen wir denn nicht unser eigenes, das schon flott ist?«
    »Dafür habe ich einen Grund, den du vollkommen begreifen wirst, bevor es Morgen wird«, sagte Kalamake. »Pilis Boot eignet sich besser zu meinem Vorhaben. Also, wenn es dir recht ist, wollen wir uns dort treffen, sobald es dunkel ist; unterdessen behalten wir die Sache für uns, denn es ist kein Grund vorhanden, die Familie in unser Geschäft hineingucken zu lassen.«
    Honig ist nicht süßer, als Kalamakes Stimme war, und Keola konnte kaum seine Befriedigung verhehlen.
    »Ich hätte mein Hackbrett schon vor Wochen haben können«, dachte er, »in dieser Welt ist doch weiter nichts nötig als ein bißchen Mut.«
    Gleich darauf sah er Lehua, die weinte, und er dachte halb und halb daran, ihr zu sagen, daß alles in Ordnung sei.
    »Aber nein«, sagte er, »ich will lieber warten, bis ich ihr das Hackbrett zeigen kann; dann wollen wir einmal sehen, was das Mädchen dann sagt! Vielleicht wird sie in Zukunft begreifen, daß ihr Mann ein kluger Kopf ist!«
    Sobald es dunkel war, schoben Vater und Schwiegersohn Pilis Boot ins Wasser und setzten das Segel. Die See ging hoch, und es blies ein starker Wind aus Lee; aber das Boot war schnell und leicht und trocken und flog über die Wogen. Der Hexerich hatte eine Laterne bei sich; die zündete er an und hielt sie an einem Finger, den er durch den Ring gesteckt hatte; die beiden saßen im Heck und rauchten Zigarren, von denen Kalamake immer einen Vorrat hatte, und sprachen wie gute Freunde von Zauberei und von den großen Geldsummen, die sie durch deren Ausübung bekommen könnten, und was sie zuerst kaufen sollten, und was dann zunächst; und Kalamake redete wie ein Vater.
    Auf einmal sah er rundum, nach oben auf die Sterne und zurück auf die Insel, die bereits zu drei Vierteilen in der See versunken war; und es schien, wie wenn er reiflich überlegte, wo sie in dem Augenblick wären.
    »Sieh!« sagte er. »Da liegt Molokai schon weit hinter uns, und Maui ist wie eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher