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Die Stimme des Daemons

Die Stimme des Daemons

Titel: Die Stimme des Daemons
Autoren: Grant McKenzie
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trügerischen Glauben, dass es gezähmt und beherrscht werden konnte, wie ein weißer Tiger in der Zirkusmanege. Doch es brauchte nur eine kurze Bewegung mit dem Daumen, um sein wahres Wesen ans Licht zu bringen, und wenn man aufmerksam lauschte, hörte man auch seine wahre Stimme – nicht unähnlich einem menschlichen Schrei.
    »Und jetzt gehst du auch nicht mehr auf die Facebook -Webseite, MaryAnn. Es ist Zeit zum Schlafen.«
    »Aber, Mom …«
    »Kein Aber, es ist schon spät. Schalt den Computer aus und geh ins Bett.«
    »Ja, Mom.«
    Als das Kind unter der Bettdecke lag, wurde es still im Haus.
    Der Beobachter beugte sich vor, schloss die Augen und lauschte auf das leise Tappen von Füßen, als die Frau zum Kühlschrank ging, sich ein Glas gekühlten Chardonnay einschenkte (sie trank am liebsten Wein aus Südaustralien) und sich in ihren Lehnstuhl setzte.

    Die Bücherregale in dem gemütlichen Zimmer, von dem man auf den gepflegten Garten hinausblickte, waren voll mit Taschenbuchkrimis. Auf einem Brett standen auch ein paar Schauspieltexte und Fernsehdrehbücher, in denen kleinere Sprechrollen gelb markiert waren. Aber diese Bücher gehörten alle ihrem Mann.
    Der Beobachter wusste, dass Hannah in dieser ruhigen Stunde einen ihrer viktorianischen Liebesromane zur Hand nehmen würde, die sie dutzendweise in einem Secondhand-Buchladen in Burnside kaufte. Sie liebte diese Geschichten voll altmodischer Romantik und knisternder Erotik, in denen es jede Menge bange Momente zu überstehen gab, für die man mit dem unvermeidlichen Happy End entschädigt wurde.
    Das leise Knistern von Alufolie verriet ihm, dass sie auch ihrer Schwäche für Terry’s Chocolate Orange nachgab. Der Beobachter bewunderte ihre Disziplin; sie aß nie mehr als zwei oder drei Stück pro Abend, sodass sie eine ganze Woche mit einer Packung auskam.
    Zufrieden, dass Mutter und Kind ihre abendliche Routine hinter sich gebracht hatten, griff der Beobachter nach einer kleinen Fernbedienung mit zwei Knöpfen, einem blauen und einem roten. Es war ein unauffälliges Ding, das ebenso wie das Feuerzeug billig und leicht zu entsorgen war.
    Er drückte den blauen Knopf.
    Von seinem Standort in dem olivgrünen Van, der ganz in der Nähe geparkt war, konnte man nicht erkennen, dass irgendetwas passierte. Doch im Haus, in
einem dunklen Winkel des Kellers, wurde ein sauberes Loch in die Gasleitung gebohrt, die zur Heizung führte.
    Nach vierzig Minuten würde das tödliche Gas anfangen, aus dem Keller nach oben zu steigen. Bis sich der Geruch nach faulen Eiern bemerkbar machte, würden Mutter und Kind bereits tief und fest schlafen.
    Nach etwa siebzig Minuten würde der kleinste Funke genügen, um das hübsche, zitronengelb und weiß gestrichene Haus in einen einzigen brennenden Scheiterhaufen zu verwandeln. Mit jeder weiteren Minute würde noch mehr Gas austreten, sodass die Gefahr bestand, dass von dem ganzen Block nur ein riesiger Krater übrig blieb.
    Der Beobachter sah wieder auf das Plastikfeuerzeug in seiner Hand hinunter. Die ständige Bewegung seines Daumens hatte ein wenig von der orangen Farbe abgerieben. So wie alle anderen Feuerzeuge, die er bisher verwendet hatte, war auch dieses unter der Oberfläche von einem blassen, fast durchscheinenden Weiß.
    Mit einem bedauernden Lächeln lehnte sich der Beobachter auf seinem Sitz zurück, drehte das Metallrädchen gegen den Feuerstein und sah zu, wie die kleine Flamme aus der Plastikhülle hervorsprang. In der stillen Dunkelheit hörte er, wie das zerstörerische Wesen zu schreien begann.

3
    Als Dr. Zack Parker mit seinem silberfarbenen viertürigen Mercedes E320 am Straßenrand anhielt, klopfte sein Herz so heftig, dass er hörte, wie das Blut durch seine Adern rauschte.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn und blickte durch das Wagenfenster auf das freundliche gelbe Haus auf der anderen Straßenseite.
    Er blinzelte sich noch ein paar Schweißtropfen aus den Augen und sah, dass sich im Schlafzimmer oben im ersten Stock etwas regte. Es hätte auch nur der Schatten eines Spitzenvorhangs sein können, der vom nächtlichen Lufthauch bewegt wurde, doch Zack war sich sicher, dass er die zarte dunkle Gesichtshaut seiner Tochter gesehen hatte, mit dem hübschesten kleinen Mund, den er je geküsst hatte.
    Die Lippen waren zu einem Lächeln hochgezogen.
    Als Zack die Autotür öffnete, klingelte sein Handy.
    Nein . Bitte nicht , flüsterte er vor sich hin.
    Das Handy hörte nicht
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