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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes
Autoren: Catherine Coulter
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ausdenken, über die sie ihr Leben lang jammern werden. Er kommt auf die ausgefallensten Ideen.«
    Graelam stand auf und reckte sich. Vom Meer her strich ein scharfer Wind. Dunkle Wolken zogen am Himmel entlang. Graelam holte tief Luft, wünschte Rolfe und den anderen Männern eine gute Nacht und schritt zu seinem Zelt zurück.
    Seiner Anordnung getreu, erwartete ihn seine Frau. Und zwar splitternackt auf dem Bett.
    Als er sich den Schlafrock auszog, hörte er sie kichern.

23
    »Was würde wohl passieren, wenn wir die beiden einfach sich selbst überließen?« überlegte Kassia de Moreton.
    »Sie würden sich wahrscheinlich gegenseitig umbringen«, antwortete Graelam. »Roland hat mir gesagt, daß sie sich bis aufs Blut hassen. Offenbar hat Damon Le Mark vor einigen Jahren Edmond von Clares Bruder totgeschlagen. Mehr weiß ich darüber nicht.«
    Die beiden Grafen standen sich, durch die ganze Breite des Innenhofs auf Chantry Hall getrennt, gegenüber. Jeder war von einigen Männern Graelams und Rolands umringt. Roland und Daria sahen verwirrt mal zu Graelam, mal zu dessen zierlicher Frau, die kerzengerade in ihrer Knappenkleidung und mit zerzauster Frisur stolz neben ihm stand.
    Roland schüttelte den Kopf. »Mehr weiß ich auch nicht, Graelam.«
    Neben ihm wunderte sich Daria: »Ihr wollt damit sagen, daß jeder von euch einen der Männer gefangengenommen hat, um Eure Schuld an mich zu begleichen?« Als Kassia befriedigt nickte, fuhr Daria fort: »Aber es gibt doch gar keine Schuld zu begleichen. Wenn ich bei euch diesen Eindruck erweckt haben sollte ...«
    »Schweig still, Daria!« sagte Graelam. »Es ist nun mal geschehen. Diese beiden Männer waren hier in Cornwall, und beide führten Böses im Schilde. Sie sind Verbrecher und haben jede Strafe verdient, die ihnen Roland auferlegen wird. Meine Frau und ich... nun, wir haben Eurem Mann die Aufgabe nur etwas erleichtert.«
    Lady Katherine stand hinter ihrer Tochter und ließ kein Auge von Damon Le Mark. Allein sein Anblick flößte ihr Furcht ein, machte ihr die Kehle trocken und die Handflächen feucht. Daria ahnte, was ihre Mutter empfand. Sie flüsterte ihr zu: »Nein, Mutter, du brauchst keine Angst mehr vor ihm zu haben. Damon kann uns nie wieder ein Leid zufügen. Er ist in Fesseln, Mutter!«
    Katherine hörte die Stimme ihrer Tochter wie aus weiter Ferne.
    »Er kam her, um dich und deinen Gatten zu töten. Daran gibt es nichts zu zweifeln.«
    »Selbstverständlich wollte er das«, sagte Roland fröhlich. »Aber er ist gescheitert, Katherine. Sieh ihn dir an! Man könnte geradezu Mitleid mit ihm haben. Wenn man einen Mann wie ihn seiner Macht entkleidet, bleibt so gut wie nichts von ihm übrig. Nur die Macht hat ihm die Illusion gegeben, etwas darzustellen. Jetzt ist er völlig bedeutungslos. Glaub mir, Katherine, du hast nichts mehr von ihm zu befürchten.«
    Katherine holte tief Luft. Farbe kehrte in ihre grauen Wangen zurück. Sanft nahm Sir Thomas ihre Hand und drückte sie leicht. Zu Darias Freude lächelte ihre Mutter ihn glücklich an.
    »So, kommt jetzt alle ins Haus!« sagte Roland. »Ja, Graelam, du kannst auch den zerlumpten Jungen mit den langen Haaren mitbringen. Ich möchte gern von dir hören, warum du von dem mageren Kerlchen so bezaubert bist, das noch nicht mal einen Bart hat.«
    »Der Junge sieht nur in dieser Kleidung so mager aus«, entgegnete Graelam. »Sonst ist er ganz anders. Wenn man nett zu ihm ist, verwandelt er sich flugs in eine vielversprechende junge Dame.«
    »Jetzt reicht es mir aber«, sagte Kassia. »He, Daria, erlöse mich von den albernen Späßen dieser Männer!«
    Doch Roland hielt Daria fest an der Hand. »Kommt in den großen Saal und erzählt uns die ganze Geschichte!«
    »Ich brauche Rat«, sagte Graelam und blickte ratlos in die Runde. »Soll ich den Kleinen hier verprügeln?«
    »Es gibt Besseres, was du mit einer Ehefrau anstellen kannst«, sagte Roland, und sein Händedruck wurde stärker. »Allerdings kann es zur Erschöpfung, wenn nicht gar zum Zusammenbruch führen.«
    Graelam betrachtete die beiden nachdenklich lächelnd. Hatten sie nach seiner Abreise zueinander gefunden?
    Als sie dann alle am Tisch beisammen saßen, sagte Kassia: »Wie gesagt, Daria, wir wollten nur unsere Schulden begleichen. Mein Mann hat den Grafen von Reymerstone gejagt, und ich habe durch Zufall erfahren, daß auch der Graf von Clare im Lande ist. Beide in der gleichen Absicht: dich zu entführen. Und an Roland wollten sie zweifellos
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