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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes
Autoren: Catherine Coulter
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unter dem Herzen tragen.
    Roland ließ den Blick zu Lady Katherine und Sir Thomas schweifen. Thomas war verliebt, das stand außer Zweifel, rettungslos bis unter die angegrauten Haarspitzen verliebt. Er fragte sich, wie es um Katherine stand. Vielleicht würden die beiden heiraten. In diesem Fall hoffte er, sie würden auf Chantry Hall bleiben. Die Vorstellung, hier im Kreise einer großen Familie zu leben, gefiel ihm sehr. Sie gab ihm das Gefühl, daß man ihn brauchte. Dann hätte er endlich seinen Platz im Leben gefunden, und er würde ihn voll ausfüllen, unter Menschen, die er liebte und die ihn liebten.
    Bedächtig trank Roland einen Schluck Wein und beantwortete die Frage, die ihm einer seiner Männer gestellt hatte. Er hörte Darias helles Lachen, das sein Herz mehr erwärmte als der Wein. Und plötzlich kamen ihm Erinnerungen. Wie er mit ihr in der Kathedrale von Wrexham Zuflucht vor dem nie endenden walisischen Regen gesucht hatte. Er wußte noch genau, wie sterbensübel und schwach er sich da gefühlt hatte. Seine Kehle war wund, er hatte Kopfschmerzen und das Gefühl, sich erbrechen zu müssen. Deutlich erinnerte er sich, wie ihm schwarz vor Augen geworden und er zu Boden geglitten war. Von dem, was danach kam, wußte er nichts mehr.
    Warum konnte er sich an nichts anderes mehr erinnern? Zwei Tage seines Lebens fehlten ihm. Die zwei Tage, bevor er wieder zu sich gekommen war und Daria über sich gebeugt gesehen hatte. Wie beschämt er sich gefühlt hatte, als er so schwach gewesen war, daß sie ihm beim Verrichten der Notdurft helfen mußte! Später hatte ihn eine ältere Frau gepflegt. Lächelnd verabreichte sie ihm einen übelschmeckenden Heiltrunk. Sie hieß Romila, und sie hatte ihm verschwiegen, daß Daria verschwunden war. Er mußte ihr erst drohen, selber auf die Suche nach ihr zu gehen, ehe sie es zugab.
    Was hatte er in diesen beiden Tagen getan? Hatte er möglicherweise doch in einer der beiden Nächte Daria entjungfert?
    Graelam de Moreton war in Hochstimmung. Denn er hatte den Grafen von Reymerstone gefangen, der sich jetzt an der Ostseite des Lagers in strenger Bewachung befand.
    Plötzlich vernahm Graelam eine Frauenstimme. Kassias Stimme! Er sprang auf. Und da kam sie auch schon auf ihn zu. Im Waffenrock und der Hose eines Knappen, eine Mütze mit Feder über die Haare gezogen, schritt sie lachend und so stolz auf ihn zu, als hätte sie gerade die ganze Welt erobert. Als sie dicht vor ihm war, stieß sie einen hellen Jubelschrei aus und warf sich an seine Brust.
    Er fing sie auf und schloß sie fest in die Arme. Sie lachte und redete aufgeregt durcheinander. Sie habe jetzt ihre Schuld an Daria beglichen, und er habe das gleiche getan, und damit hätten sie ihre Verpflichtungen mehr als erfüllt, und sei das nicht alles wunderbar?
    Dann betrachtete Kassia ihn vom Kopf bis zu den Füßen und sagte: »Oh«, lächelte ihn strahlend an und sagte noch einmal: »Oh!« Und stellte fest: »Du bist ja halbnackt, Graelam.«
    Er packte sie um die Taille, hob sie in die Höhe, bis ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten, und sagte: »Wie kommst du hier in mein Lager, in diese einsame, wilde Gegend zwanzig Meilen von Wolffeton entfernt? Warum trägst du Knabenkleidung? Und wieso feixt du so wie eine halbblöde Dirne? Von deinem wirren Geplapper habe ich nichts verstanden. Du wirst mir jetzt sagen, Madam, was zum Teufel du hier treibst und warum ...«
    Sie lachte wieder und küßte ihn. »Ich werde dir alles erzählen, mein lieber Lord, aber vorher mußt du mich absetzen. Außerdem hätte ich gern ein Bier. Ich war auf dem Kriegspfad, und das hat mich verdammt durstig gemacht.«
    »Kassia!«
    Mit tänzelnden Schritten entfernte sie sich aus seiner Reichweite. Graelam zuckte die Achseln und nahm das vorbereitete Bad.
    Danach ließ er sich den nassen Waschlappen aus der Hand nehmen und brummte zufrieden, als sie ihm den Rücken schrubbte.
    »Ich war besorgt um dich, Graelam.«
    »Pah, dafür gab es nicht die geringste Veranlassung. Es ging alles so einfach, daß nicht einmal Klein-Harry sich erschrocken hätte. Erschrocken waren nur der Graf von Reymerstone und seine Männer, die wir so überrumpelten, daß es sogar ohne Blutvergießen abging. Er liegt jetzt in einem Zelt, und Rolfe und drei Männer bewachen ihn. Im Augenblick ist er todunglücklich und wundert sich, warum ich ihn gefangen halte. Ich bin nämlich für ihn ein völlig Fremder.«
    Sie beugte sich herab und gab ihm einen Kuß. »Der Kerl
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