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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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gegrinst und einen seiner dummen Sprüche abgelassen. Dabei hat er recht, ich kann mich wirklich auf kaum noch was konzentrieren. Der Sonntagnachmittag geht mir nicht aus dem Kopf, ich muss immer daran denken, es ist wie ein Zwang. Wenn wir
zusammen sind, beobachte ich meine Eltern, zum ersten Mal achte ich darauf, was sie tun. Dabei ist mir aufgefallen, dass sie kaum miteinander reden. Aber vielleicht war das schon vorher so, vor dem Anruf.
    Am Nachmittag gegen fünf kommt mein Vater nach Hause. »Wie geht’s?«, fragt er. Ohne meine Antwort abzuwarten, sagt er: »Ich muss noch mal weg. Geschäftlich. Es kann spät werden.«
    In der letzten Zeit hat mein Vater oft bis spätabends geschäftlich zu tun. Muss Kunden treffen. Hat irgendwelche blöden Arbeitsessen. Dringende Termine. Das gehört einfach dazu, sagt er. Aber jetzt sehe ich ihn im Auto sitzen und zu dieser Frau fahren. Zu der Frau, die von ihm gewärmt werden möchte. Ich will nicht, aber ich komme einfach nicht gegen die verdammten Bilder an.
    Am Morgen sitzen wir drei gemeinsam beim Frühstück. Die Sonne scheint auf die kleine Kakteenbank mit den Ributia minuscula und marsoneri. Mein Vater scheint nervöser zu sein als sonst. Während er seinen Kaffee trinkt, zerbröselt er mit der anderen Hand das Schwarzbrot in der Brotschale. Wenn ich das tue, gibt’s jedes Mal Zoff.
    »Was ist los?«, frage ich, nachdem mein Vater gegangen ist.
    Meine Mutter zuckt die Schultern. »Was weiß ich«, sagt sie und steht auf. »Soll ich dich mitnehmen?«
    »Ich gehe zu Fuß.«
    »Bis heute Abend, Jonas«, sagt sie, korrigiert vor dem Flurspiegel ihr Make-up und verlässt das Haus. Einen
Augenblick später höre ich sie mit ihrem Auto davonfahren.
    Mit meinen Eltern stimmt was nicht. Irgendwas läuft zwischen den beiden schief. Geredet haben sie nie besonders viel miteinander. Und Küsse? Wenn ich dabei war, nur auf die Backe. Was sonst passiert, nachts und so, weiß ich nicht, will ich auch gar nicht wissen.
    Seit wann ist das so? Bis meine Eltern unser Haus gekauft haben, war eigentlich alles ganz o. k. Aber seitdem sehe ich die beiden nur noch zum Frühstück und zum Abendessen. Wahrscheinlich können sie sonst das beschissene Haus nicht abbezahlen.
    Ja, und da war noch diese komische Geschichte, ich habe lange nicht mehr daran gedacht. Letztes Jahr habe ich meinen Vater zufällig im Café gesehen. Mit einer Frau. Sah echt gut aus, die Lady. Er hat seine Hand auf ihre Hand gelegt, hat ihr über die Schulter gestreichelt, hat sie angelacht. Wenn es nicht mein Vater gewesen wäre, hätte ich gedacht: Der baggert sie heftig an. Aber hinterher hat er erzählt, das sei eine gute Kundin gewesen, nein, das habe nichts zu bedeuten. Überhaupt nichts, großes Indianerehrenwort. Damals habe ich ihm geglaubt.
    Beim Abendessen ist mein Vater wieder nicht da. Termine, was sonst.
    »Du bist so still in letzter Zeit«, sagt meine Mutter.
    »Findest du?«
    »Hast du Kummer?«, fragt sie.
    »Mir geht’s nicht besonders.«
    »Gibt es Probleme in der Schule?«

    Ich schüttele den Kopf.
    »Was ist es dann?«
    Jetzt frage ich sie, jetzt ist genau der richtige Moment. »Hat Papa eine Freundin?« Es ist heraus, meine Stimme hat kaum gezittert.
    »Wie bitte?«, stottert meine Mutter. Wenn sie eine Show abzieht, tut sie das sehr überzeugend.
    »Ich meine, geht er mit einer anderen Frau ins Bett?«
    Meine Mutter starrt mich an. Sie sieht auf einmal sehr alt aus. »Was fällt dir ein?«, ruft sie. »Was ist denn das für eine Frage? Natürlich nicht!«
    Ich schlucke, wieder läuft Wasser in meinen Mund. Trotzdem nehme ich einen neuen Anlauf. »Ich habe euch doch von dem Anruf am letzten Sonntag erzählt. Von der Frau, die am Telefon war, als Oma Geburtstag hatte. Die Frau hat gesagt, ich soll kommen und sie wärmen. Aber sie wusste nicht, wer dran war. Bestimmt meinte sie Papa.«
    Es ist ganz still in der Küche. Einmal habe ich zu meinem Vater »Arschloch« gesagt, aber damals haben meine Eltern nur darüber gelacht. Ich bin gespannt, ob meine Mutter auch diesmal lachen wird.
    Sie tut es nicht. »Die Frau hat sich bestimmt bloß verwählt«, sagt sie schließlich. Ihre Stimme klingt heiserer als sonst.
    »Und wenn nicht?«
    »Du hast Probleme mit Papa. Das ist in der Pubertät normal«, sagt meine Mutter, ohne auf meine Frage einzugehen.

    Ich gebe mich noch nicht geschlagen. »Und was ist mit dir? Hast du einen …« Wie nennt man so einen? Ach ja: »Hast du einen Liebhaber?«
    Sie lacht.
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