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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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sicher.«
    »Was ist mit der Frau?«, fragte ich.
    »Mit welcher Frau?«
    »Die bei uns angerufen hat. An Omas Geburtstag.«
    »Papa sagt, da ist nichts mehr.«
    »Und der Mann im Café?«, fragte ich.
    »Vorbei. Eigentlich hat es nie richtig angefangen.«
    Danach schwiegen wir. Wieder hatte ich etwas erfahren, das ich schon lange wissen wollte. Und jetzt? Jetzt waren die Riesenprobleme zusammengeschrumpft zu dem einen Satz: »Seit der Nacht sind wir nicht mehr
sicher.« Vielleicht ist das ja ein Hoffnungsschimmer - wenn auch nur ein kleiner.

    Beim Neurologen kamen wir schnell dran. Der Doktor las den Bericht aus dem Krankenhaus, fragte mich nach meinen Schmerzen, untersuchte mich gründlich und machte ein EEG und eine Aufnahme meines Kopfes.
    »Da ist etwas, das nicht da sein sollte«, sagte er hinterher. »Wahrscheinlich ein kleines Blutgerinnsel. Das drückt jetzt auf bestimmte Nerven und verursacht so deine Kopfschmerzen. Das Gerinnsel muss raus, bevor es größeres Unheil anrichtet. Tut mir leid, Jonas, dass ich dir das sagen muss. Aber du musst noch mal in die Klinik. Wir sollten jedes Risiko ausschließen.«
    Meine Mutter und ich müssen ziemlich blass geworden sein, denn der Arzt versuchte, uns zu beruhigen: »Im Elisabeth-Krankenhaus haben wir eine der allerbesten neurochirurgischen Abteilungen. Auf die Kollegen dort ist Verlass.«
    »Werden sie mir den Kopf aufschneiden?«, fragte ich während der Fahrt nach Hause.
    Meine Mutter antwortete nicht. Um ihre Mundwinkel zuckte es. Sie hat Angst, Doc. Ich habe auch Angst. Eine Scheißangst.
    »Vielleicht wird es ja nur ein kleiner Eingriff«, sagte meine Mutter. Ihre Stimme klang belegt. Sie kämpfte mit den Tränen.
    »Ich will weiter sprechen können«, sagte ich.
    »Das wirst du«, sagte meine Mutter. »Das wirst du ganz bestimmt, Jonas.«

    Die letzten Seiten habe ich gerade erst geschrieben, Doc. Gleich setze ich mich noch mal aufs Fahrrad und bringe Ihnen unser Buch. Ob ich heute Nacht schlafen kann, weiß ich nicht. Morgen früh fährt mich mein Vater ins Krankenhaus. Und dann? Was ist dann?
    Bevor ich es vergesse - ich möchte, dass Sie das Buch weiterschreiben, falls ich es nicht mehr kann. Wollen Sie das tun? Bitte!

    Denken Sie an mich.
    Jonas

★ 4 ★
    Lieber Jonas,
    wenn du diese Seiten liest, werde ich schon im Urlaub sein. Du hast mich gebeten, das Buch weiterzuschreiben, falls du nach deiner Operation nicht mehr dazu in der Lage sein solltest. Leider ist genau das eingetreten. Glaub mir, niemand bedauert das mehr als ich.
    Dabei waren unsere Neurochirurgen vor dem Eingriff so optimistisch. Natürlich haben sie nicht damit gerechnet, dass du gleich wieder Rad fahren oder dich mit Rieke treffen kannst. Aber dass du nach der Operation halbseitig gelähmt sein und derartig starke Sprachstörungen haben würdest - das hat auch sie überrascht.
    Ich habe die Kollegen gefragt, warum wir das Gerinnsel nicht früher entdeckt haben. Sie gehen davon aus, dass es erst nach deiner Entlassung passiert ist.
    Bei mir auf der Intensivstation warst du nur zwei Tage, dann haben wir dich auf die P3 verlegt. Doktor Norden ist in Urlaub, du hast es jetzt mit Doktor Zielinski zu tun. Bei ihr bist du in den besten Händen.
    Heute Nachmittag habe ich dich in deinem Zimmer besucht. Es ist dein altes, das zweite Bett ist immer noch nicht belegt. Dein Vater war gerade gegangen, deine
Mutter saß an deinem Bett. Von diesem Zeitpunkt an erzähle ich die Geschichte weiter, ja?
    Du schläfst. Dein Gesicht ist blass, deine linke Hand umklammert ein Stück der Bettdecke. Die andere liegt schlaff neben deinem Körper.
    »Guten Tag, Frau Klinger«, sage ich. Ich ziehe einen Stuhl heran und setze mich zu ihr an dein Bett. Deine Mutter sieht erschöpft aus. Seit der Operation ist sie fast rund um die Uhr bei dir.
    »Es geht ihm etwas besser«, sagt sie leise.
    Ich nicke. »Ich habe die Krankengymnastin getroffen. Sie ist sicher, dass die Lähmung in ein paar Tagen verschwunden sein wird.«
    »Und die Sprache?«, fragt deine Mutter.
    »Manchmal gibt es da erstaunliche Entwicklungen«, antworte ich.
    In diesem Augenblick schlägst du die Augen auf. Als du mich erkennst, lächelst du.
    »Doktor«, bringst du mühsam heraus. Es klingt nicht gut, aber besser als in den Tagen zuvor. Die Logopädin hat recht, auch dein Sprechen macht Fortschritte. Jetzt kann man dich schon verstehen.
    Mit deiner gesunden Hand winkst du mich näher heran. »Das Buch?«, fragst du.
    »Ist bei mir«,
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