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Die Stille zwischen den Sternen

Die Stille zwischen den Sternen

Titel: Die Stille zwischen den Sternen
Autoren: Juergen Banscherus
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Tag. Nach dem Frühstück habe ich versucht, Rieke anzurufen. Aber sie war nicht da. Ihre Mutter sagte mir, dass sie bei einer Freundin ist und erst morgen zurückkommt. Freundin klingt eindeutig besser als Freund. Und wenn sie sich nun doch mit diesem Jungen trifft?
    Am Nachmittag war ich dann zum ersten Mal im Polizeipräsidium.
Dunkle Flure, trübe Fensterscheiben, abblätternde Farbe an den Decken - ich fühlte mich sofort wie ein Schwerverbrecher.
    Zu Kommissar Winter musste ich vier Stockwerke hoch. Als ich sein Büro unter dem Dach fand, goss er gerade seinen Cleistocactus laniceps.
    »Zwei Tage noch«, sagte Winter, nachdem er mich in einen Stuhl gewinkt hatte. »In zwei Tagen blüht er.«
    »Drei«, widersprach ich. »Oder vier.«
    »Klappt ja schon wunderbar mit dem Sprechen«, sagte Winter. »Bald redest du wie ein Buch.«
    »Mal sehen«, sagte ich.
    Der Kommissar zeigte auf einen Aktenordner, der geöffnet vor ihm lag. »Das wird dich interessieren, Jonas. Die Kriminaltechnik hat die Bombe vom Gasometer untersucht. Die Sprengladung war viel zu schwach, um das Dach abzuheben.«
    »Das Dach?«, rutschte es mir heraus.
    Winter lächelte. »Ja, das Dach. Wenn die Ladung etwa dreimal so stark gewesen wäre, hätte die Bombe das Dach abgesprengt. Das hätte dann wohl eine Katastrophe gegeben.« Er sah mich aufmerksam an. »Aber vielleicht wollte der Bombenbastler das ja gar nicht.«
    Ich zuckte die Schultern, versuchte, so auszusehen, als ob mich das alles nichts anginge.
    »Vielleicht wollte er es einfach nur kräftig knallen lassen«, fuhr der Kommissar fort. »Was meinst du, Jonas? Wenn er das vorhatte, hat er sich verrechnet.«
    »Wieso?«, rutschte es mir wieder heraus.
    »Im Gasometer wäre es wahnsinnig laut geworden«,
erklärte Winter. »Da hätte es jedem, der drin gewesen wäre, das Trommelfell zerrissen. Aber draußen hätte man nichts gehört. Allenfalls ein leises ›Plopp‹. Wieso baut einer eine Bombe mit einer derart aufwendigen Fernzündung, wenn er nur ein ›Plopp‹ haben will? Hast du dafür eine Erklärung, Jonas?«
    »Nein«, murmelte ich.
    »Woher sollst du das auch wissen«, sagte er. »Komm, die Leute in der Technik warten auf deine Fingerabdrücke.«
    Wir fuhren mit dem Aufzug ins Untergeschoss. Dort nahm ein Mann in weißem Kittel meine Fingerabdrücke. Sehr sorgfältig machte er das, Finger für Finger. Hinterher gaben sie mir ein Mittel, damit ich mir die Schmiere abwaschen konnte. Ganz gelang es mir nicht.
    »War’s das?«, fragte ich den Kommissar.
    Er nickte. »Für heute jedenfalls.«
    Dann stand ich vor dem Portal des Polizeipräsidiums, war nicht festgenommen, saß in keiner Zelle. Aber bald würden die da drin den Beweis haben, dass ich der Bombenbastler vom Gasometer bin. Vielleicht schon morgen. Oder spätestens übermorgen.

    Jetzt ist es Nachmittag. Es ist so ruhig im Haus, dass ich die Stille hören kann. Ich sitze in meinem Zimmer hinter vorgezogener Gardine am Fenster und beobachte die Straße. Die Garage habe ich abgeschlossen, ebenso das Tor zum Garten. Bisher ist alles ruhig geblieben. Gegenüber steht ein Wagen der Mobilfunkgesellschaft.

    Die Autos, die vor den anderen Häusern parken, kenne ich. Die Leute, die ich gesehen habe, sind unsere Nachbarn. Nichts deutet darauf hin, dass irgendwo da draußen jemand Angst hat, dass ich rede.

    Tschüss, Herr Doktor,
    Ihr Jonas

    Hallo, Doc!
    Je mehr ich spreche, desto schweigsamer wird mein Vater. Keine blöden Sprüche, keine stundenlangen Berichte über seine Erfolge als Verkaufsleiter - mit ihm ist es im Augenblick richtig gut auszuhalten. Was zwischen meinen Eltern läuft, weiß ich nicht. Sie streiten nicht, sie gehen sich nicht aus dem Weg, ich höre sie abends miteinander reden. Trotzdem fehlt etwas.
    Die Nacht auf dem Katzenberg scheinen sie vergessen zu haben. Oder sie wollen nicht mehr dran denken. Oder es ist ihnen unangenehm, danach zu fragen. Mir ist das recht. Was soll ich ihnen erzählen, solange ich mich nicht erinnere?

    Heute Nachmittag hab ich Rieke getroffen. Sie war wohl schon länger im »Dolomiti«, vor ihr stand ein halb volles Glas Cola. Fällt den beiden nicht mal was anderes ein als das Eiscafé?, werden Sie fragen. Nee, tut es nicht. »Hallo, Jonas«, sagte sie.
    Ich nickte.
    »Geht’s dir gut?«, fragte sie, nachdem ich mich gesetzt hatte.

    Wieder nickte ich.
    »Wo hast du deinen Block?«
    »Vergessen.«
    Für einen Moment schnappte sie nach Luft. »Sag das noch mal«, rief sie dann
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