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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu
Autoren: Jaroslav Rudis
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hält länger? Was schmeckt besser? Hat überhaupt eins von beiden jemals gut geschmeckt?
    Vielleicht spielt es keine Rolle, wer die Fotos unter die Glasplatte geschoben hat. Die Bilder werden sich noch eine Weile halten. Genauso wie die Fotoalben und Gurkengläser im Keller.

DIE ERSTE AM MORGEN
    I n der Küche steckt er sich seine erste Morgenzigarette an und schaltet das Radio ein, dann wischt er seiner einzigen Zimmerpflanze den Staub von den Blättern. Er stützt sich auf die Fensterbank und sieht in den Himmel. Die Spitze des Fernsehturms bohrt sich in die Wolken wie ein Raumschiff, das soeben abhebt. Er ist nie auf dem Turm gewesen, hat aber nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Aber den Blick aus dem Küchenfenster mag er wirklich gerne.
    Einmal hat er oben auf der Aussichtsplattform einen jungen Mann gesehen, der herunterspringen wollte. Die Feuerwehr kam. Dann die Polizei. Ein Psychologe. Aber er wollte nur seine Freundin sprechen. Die tauchte später auf, mit ihrem neuen Lover in dessen neuem Auto. Woraufhin sich der Selbstmörder Chicken Wings von KFC hinaufbringen ließ. Samt Cola, Maiskolben und einer doppelten Portion Pommes. Hat alles ganz langsam in sich reingeschaufelt und sich anschließend in die Klapse begeben.
    Petr schlürft den heißen Kaffee und beobachtet die riesigen schwarzen Babys, die den Turm hinaufklettern. Er hat nie verstanden, warum sie da waren, was sie nach oben trieb und warum sich der Bildhauer für schwarze Babys entschieden hatte, und nicht zum Beispiel für grüne Schnecken oder weiße Würmer.
    Als er sich umdreht, steht sie nackt in der Tür. Verschlafen, jung und wunderschön. Für den Bruchteil einer Sekunde wünscht er sich nichts sehnlicher, als mit ihr zusammen zu sein. Gemeinsam mit ihr die Tage zu verbringen, sich gemeinsam die Nächte um die Ohren zu schlagen, sich im Bett zu vergnügen. Ruhig gleich hundert Nächte hintereinander. Dann fällt ihm ein, dass er nicht einmal weiß, wie alt sie ist.
    »Ich hätte gern ’ne Cola.«
    »Es gibt nur Kaffee.«
    »Morgens trinke ich aber Cola.«
    »Ist das nicht zu süß?«
    »Schmeckt gut.«
    »Das Zeug zersetzt dir den Magen.«
    »Papperlapapp.«
    »Die Amis haben Versuche mit Cola gemacht. An einer Uni. Abends haben sie einen Typen in Cola eingelegt und morgens nur noch seine Brille gefunden.«
    »Natürlich. Und die Brille hast du dann ersteigert.«
    Vanda kratzt sich an der Schulter. Um die Tätowierung herum.
    »Mann, das juckt.«
    »Wie bist du auf den Text gekommen?«
    »Das ist ’ne Band.«
    »Was für ’ne Band?«
    »Meine erste Band.«
    »Was spielt ihr?«
    »Gothic. Punk. Vor allem Punk.«
    »Na, dann muss es auch jucken. Kann man euch mal hören?«
    »Heute Abend. Als Vorband für irgendwelche Berliner. Die haben uns auf Myspace entdeckt.«
    »Und wenn es euch nicht mehr gibt?«
    »Warum sollte es uns nicht mehr geben, hä?«
    »Das passiert doch immer wieder …«
    »Das wird nicht passieren.«
    Er reicht ihr seinen Kaffeebecher. Sie trinkt einen Schluck. Ein brauner Tropfen fließt ihr Kinn herunter. Am liebsten würde er ihn ablecken. Sie wischt sich den Mund ab.
    »Bitter.«
    »Aber echt.«
    Den Rest gießt er in den Blumentopf. Er nimmt seine Jacke vom Stuhl und steckt die Zigarettenschachtel und den Discman in die Tasche.
    »Malmö, los geht’s.«
    »Bye Bye Baby« , winkt Vanda Malmö zu. Malmö wimmert leise. Steht langsam auf, streckt sich und geht zur Tür.
    »Wenn du gehst, zieh einfach die Wohnungstür zu. Beim Duschen musst du mit dem heißen Wasser aufpassen. Manchmal ist es zu heiß. Und im Kühlschrank gibt’s Joghurt.«
    »Ich esse morgens nichts.«
    »Vielleicht sehen wir uns wieder. Irgendwann.«
    »Vielleicht. Mal sehen.«
    Er kehrt um, drückt sie kurz und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Sie küsst ihn.
    »Gibst du mir deine Nummer?«
    »Und du mir deine?«
    Er sagt sie ihr.
    »Ich schreib dir meine … Lässt du mir ’ne Fluppe da?«
    »Gern auch zwei.«
    »Drei?«
    Petr zieht vier Zigaretten heraus. Er lächelt sie an. Und hat das Gefühl, als lächle sie zurück.
    »Danke.«
    »Ebenfalls.«
    »Hä?«
    »Dass ich heute vier Zigaretten weniger rauchen muss … Wie alt bist du eigentlich?«
    »Warum?«
    »Nur so.«
    »Achtzehn.«
    »Okay.«
    »… na ja, werd ich bald.«
    »Machen sich deine Eltern keine Sorgen, wo du bist?«
    »Was stellst du für blöde Fragen? Auf so ’ne Idee würden die nicht im Traum kommen.«
    »Bist du dir da sicher?«
    »Ich darf machen, was ich
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