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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin
Autoren: Jeanine Krock
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Estelle fasste einen Entschluss. Sie öffnete die Tür und das leichte Kribbeln der Abwehrmagie erinnerte sie daran, dass Asher keine Fremden in seinem Refugium duldete. Doch inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, hätte der Zauber ihr gegolten, sie wäre nie in das Geschäft hineingelangt. Sie lauschte. Nichts. Behutsam tastete sie sich durch die Regalreihen, bis sie vor Ashers Bett stand. Im schwachen Schein einer Nachttischlampe, die er offenbar vergessen hatte auszuschalten, sah sein Gesicht jung aus. Die feinen Linien um seine Augen waren nicht zu sehen und der strenge Mund wirkte weich und sinnlich. Sie konnte nicht widerstehen, beugte sich vor und presste ihre Lippen darauf. Sein Arm schnellte hervor und zog sie blitzschnell zu sich hinab. Er erwiderte zärtlich ihren Kuss. »Sternchen, endlich bist du da!« Seine Hände strichen über ihren Körper und Estelle hatte das Gefühl, nach einer langen Odyssee zu Hause angekommen zu sein. Ashers Bewegungen waren langsam und konzentriert, während er systematisch ihren Körper erkundete.
    »Du bist verletzt!« Estelle betrachtete voller Entsetzen die tiefen Bissspuren in seinem Arm und bei genauerem Hinsehen entdeckte sie weitere Wunden, die von nichts anderem als einer großen Klinge stammen konnten.
    »Das ist nichts!«, murmelte er und wollte sie wieder an sich ziehen. Estelle erkannte, wie schwer der Kampf gewesen war. Er brauchte dringend den Schlaf, der seinen geschundenen Körper effizienter heilen würde als jedes Medikament. Sie würde ihn nicht alleine lassen. Rasch zog sie sich bis aufs Hemd aus und kuschelte sich vorsichtig an ihn, um Asher nicht wehzutun. Er legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie an seine Brust. »Schlaf, Sternchen!«, murmelte er und tauchte in die geheimnisvolle Welt jenseits seines Bewusstseins ein.
    Exakt in der Sekunde, als die längste Nacht des Jahres ihre Tentakel nach allem Lebendigen ausstreckte, flatterten seine Lider. Draußen war es längst dunkel, so spät war er schon seit Ewigkeiten nicht mehr erwacht. Asher nahm sofort die magische Präsenz wahr, die wenige Zentimeter von ihm schlummerte. Nicht mehr ganz Fee, noch nicht Vampir. Estelle. Seine Seelengefährtin.
    Als vor wenigen Stunden ihre Lippen seinen Mund zart berührt hatten, meinte er während der ersten Sekunden zu träumen. Hätte es noch einen Beweis gebraucht, hier war er: Niemand außer seiner Seelenpartnerin, der Gefährtin für die Ewigkeit, hätte sich jemals von ihm unbemerkt so nahe heranschleichen können, egal wie erschöpft er sein mochte. Und obwohl einige Wunden am vergangenen Abend schrecklich ausgesehen hatten, war nun keine Spur mehr davon zu sehen. Er war schon viele Male weitaus angeschlagener aus einer Schlacht heimgekehrt, mit Verletzungen, die manch ein jüngerer Vampir wegen des heftigen Blutverlustes nicht überlebt hätte.
    Asher machte sich an diesem klaren Winterabend keine Illusionen mehr. Sein Herz gehörte der bezaubernden Fee, die vertrauensvoll neben ihm ruhte, und wenn er überhaupt noch etwas wünschen durfte, dann war es nichts weniger, als dass sie ihre Transformation überstehen würde, denn er wusste, ohne sie wäre sein Dasein unerträglich. Ausgerechnet also Mittwinter sollte zur Nacht der Wahrheit für ihn werden. Aber warum auch nicht? Vor langer Zeit war er in dieser Nacht zum Vampir geworden, heute würde sich sein Schicksal erneut entscheiden. Er stützte sich auf einen Ellenbogen und betrachtete die Schlafende.
    »Guten Abend, Faulpelz!« Jemand blies über diese ganz bestimmte und besonders empfindliche Stelle an ihrem Hals. »Aufwachen!«
    Estelle räkelte sich wohlig unter der warmen Decke, bevor sie endlich die Augen aufschlug und ihm direkt ins Gesicht sah. »Wie geht es dir?«
    Er blickte sie verwirrt an. Noch nie hatte sich eine Frau für sein Befinden interessiert, während sie in seinen Armen lag. Zumindest nicht für diese Art von Wohlergehen.
    »Du musst doch schreckliche Schmerzen haben ...« Estelle klang eindeutig besorgt.
    »Alles verheilt.« Knapp kam die Antwort, als sei es ihm peinlich, darauf angesprochen zu werden. »Estelle, wir müssen ...«
    »... reden!«, vollendete sie seinen Satz mit einem Seufzer. Sie setzte sich auf. »Ohne einen ordentlichen Tee wird das nichts.«
    »Oh!« Asher schenkte ihr sein unwiderstehliches Lächeln. »Beweg dich nicht, ich bin gleich wieder da!« Tatsächlich dauerte es aber eine ganze Weile, bis er mit einem Tablett zurückkehrte, auf dem neben
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