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Seepest

Seepest

Titel: Seepest
Autoren: Manfred Megerle
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Prolog
    Schuld ist immer relativ.
     Hätte man die beiden Männer in dieser Nacht nach ihrem Tun gefragt – sie wären
     sich keiner Schuld bewusst gewesen. Warum auch? Sie machten ihren Job, alles
     andere ging sie nichts an. Hauptsache, die Kasse stimmte.
    Pünktlich wie ausgemacht übernahmen
     sie die Motorjacht in Wasserburg. Sie lag am Ende eines Steges, unbeleuchtet,
     in der Dunkelheit kaum auszumachen. Davor, wie ein drohender Schatten, eine
     reglose Gestalt, mit beiden Armen einen Aktenkoffer an sich pressend.
    »Na endlich«, knurrte der Schatten
     ungehalten. Ohne weitere Erklärung drehte er sich um und schwang sich in das
     auf und ab tanzende Boot. Sein Hauptaugenmerk schien ausschließlich dem Koffer
     zu gelten, gerade so, als enthielte der die Kronjuwelen des englischen
     Königshauses. Kaum an Bord, stellte er ihn vorsichtig in Reichweite ab. Wortlos
     folgten ihm die beiden Männer.
    Der Schatten überzeugte sich, dass
     niemand in der Nähe war, bevor er sich den beiden Männern zuwandte.
    »Okay, ihr wisst, was ihr zu tun
     habt«, begann er mit gedämpfter Stimme. »Bevor ihr startet, kurz ein paar Worte
     zum Boot. Zunächst zur Steuerung und zu den Motoren –«
    Noch ehe er sich in Einzelheiten
     verlieren konnte, fiel ihm der größere der beiden Männer ins Wort: »Geschenkt,
     wir sind schließlich keine Anfänger. Zeig uns einfach die Pumpe und den
     Tankeinfüllstutzen.«
    Als hätte jemand auf einen
     Aus-Knopf gedrückt, fiel der Schattenmann unvermittelt in eine Art Starre.
     Widerspruch schien er nicht gewohnt zu sein. Plötzlich lag eine kleine Maglite
     in seiner Hand, und ihr Strahl huschte über das Gesicht des Fragestellers.
    »Keine Anfänger, eh?«, entgegnete
     er kalt. Indigniert starrte er auf den Irokesenkamm, der den schwarzen, vor Gel
     glänzenden Schopf seines Gegenübers krönte. »Dann betet zu Gott, dass heute
     Nacht alles klappt, sonst möchte ich nicht in eurer Haut stecken, Freunde!«,
     zischte er.
    Die unverhohlene Drohung schien den
     Irokesen nicht sonderlich zu beeindrucken. »Wenn du meinst! Bisher jedenfalls
     haben wir unsere Jobs noch immer ohne göttlichen Beistand geschafft. Und jetzt
     nimm endlich diese verdammte Funzel aus meinem Gesicht.«
    Da ihm der Schattenmann nicht schnell
     genug reagierte, schlug er kurzerhand dessen Arm nach unten. Als hätte er nur
     darauf gewartet, schnellte unvermittelt die Rechte des Schattenmannes nach
     vorn, umfasste das Handgelenk des Irokesen und presste es wie mit einem
     Schraubstock zusammen.
    »Mach das nie wieder«, zischte er.
    Während der Irokese verzweifelt den
     stählernen Griff zu lockern suchte, folgte sein klein gewachsener Partner
     verwundert der Auseinandersetzung. Er war es denn auch, der den Koffer in
     Sicherheit brachte, bevor dieser in dem wogenden Hin und Her vom Tisch zu
     fallen drohte. Verblüfft wiegte er das Behältnis eine Weile in den Händen.
     Schließlich hob er den Kopf und sah fragend auf den Schattenmann.
    »Teufel noch mal, ist das Ding aber
     schwer!« Der Argwohn in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    Da endlich ließ der Schattenmann
     seinen Gegner los, hastig riss er den Koffer an sich und trug ihn in die
     Kabine, während der Irokese sein schmerzendes Handgelenk rieb.
    Dem Kleingewachsenen schien der
     Koffer noch immer keine Ruhe zu lassen. Unsicher grinsend entblößte er ein
     lückenhaftes Gebiss. »Sind wohl Goldbarren drin?«, fragte er lauernd und
     deutete auf den Koffer.
    »So was Ähnliches. Euer Salär, wie
     verlangt in kleinen Scheinen. Oder arbeitet ihr jetzt für Gotteslohn?«
    Der Kleingewachsene verzog das
     Gesicht. »Das hätteste wohl gerne«, sagte er und lachte meckernd, wurde jedoch
     sofort wieder ernst. »Und wie kommen wir an den Code?« Trotz der Dunkelheit war
     ihm das Zahlenschloss am Griff des Koffers nicht entgangen.
    »Keine Sorge, den geb ich euch
     telefonisch durch, sobald ihr eure Mission erledigt habt.«
    Wenig später – der Schattenmann
     war kaum von Bord gegangen – legte die Jacht endlich ab, nahm Fahrt auf und
     wurde mit jeder Sekunde schneller, bis sie laut röhrend durch die
     nachtschwarzen Wellen pflügte, nach Westen, in Richtung Überlingen. Die beiden
     Männer duckten sich tief hinter die Windschutzscheibe, um möglichst wenig von
     der feinen Gischt und dem eisigen Novemberwind abzubekommen. Kaum schafften es
     die beiden Wischerblätter, die Scheibe frei zu halten.
    Auf der rechten Seite zogen die
    
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