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Die Sterne rücken näher

Die Sterne rücken näher

Titel: Die Sterne rücken näher
Autoren: Robert Silverberg
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er hatte nicht mehr die Kraft, diese Arbeiten auszuführen. Es war zu anstrengend, die Leitern hinaufzuklettern, über die Laufstege des Schiffes zu turnen, Geräte zu testen, da und dort etwas zu ändern, zu verbessern, umzubauen… Jetzt hatte er die ersehnte Ruhe und das Ziel vor Augen – doch er erreichte es nicht mehr.
    Er machte ein paar Versuche, die Arbeit abzuschließen, aber dann stürzte er von einem wackeligen Gerüst und brach sich den Oberschenkel. Es war ihm noch gelungen, zurück in die Höhle zu kriechen, aber allein und ohne Pflege hatte er nicht die geringste Chance, sich wieder zu erholen.
    Also war es ihm unmöglich gewesen, das Schiff fertigzustellen. Sein Traum war ausgeträumt. Seine Berechnungen und seine Pläne würden nun zusammen mit ihm sterben.
    Am letzten Tag seines Lebens gelangte er zu einer neuen Erkenntnis: Nirgends hatte er eine genaue Beschreibung oder Pläne seines Raumkrümmungsgenerators hinterlegt; der Schlüsselmechanismus, ohne den der Hyperdrive unmöglich war, blieb also unerreichbar. Nun begann James Hudson Cavour einen Wettlauf mit dem Tod. Er begann eine neue Seite in seinem Tagebuch und schrieb mit seinen eigenwilligen, kräftigen Buchstaben darüber: Für jene, die nach mir kommen. Und dann gab es eine gedrängte, aber überaus klare Zusammenfassung und Erklärung seiner Arbeit.
    Alles steht hier, überlegte Alan glücklich: das Diagramm, die Spezifikation, die Gleichung; oder besser: viele Gleichungen, Diagramme und Spezifikationen. Damit war es möglich, ein Schiff nach Cavours Plänen zu bauen.
    Auf der letzten Seite der Tagebucheintragungen hatte Cavour anscheinend jene Gedanken aufgezeichnet, die ihn im Angesicht des Todes beschäftigten. Die Schrift wurde immer zittriger und unleserlicher. Ein Satz hatte zum Inhalt, daß er der Welt alles vergebe, was sie ihm angetan hatte, daß er hoffe, die Menschheit möge eines Tages einen leichten Zugang zu den Sternen finden. Dieser Satz blieb unvollendet. Dieses Tagebuch war das herzbewegende Testament eines wirklich großen Mannes.
    Die Tage der Reise vergingen ziemlich rasch, und bald erschien die grüne Scheibe der Erde auf dem großen Sichtschirm. Gegen Ende des sechsten Tages tauchte die Cavour in die Erdatmosphäre, und Alan schwenkte auf einen Landekurs ein. In großen Spiralen umkreiste die Cavour die Erde; mit jeder Spirale kam sie ihr näher, und schließlich landete sie glatt und sicher auf ihrem Heimathafen.
    Über Radio hatte Alan die Landegenehmigung erbeten und erhalten. Er meldete sich sofort nach der Landung ab und eilte zum nächsten Telefon.
    Er wählte Jespersons Nummer. Der Anwalt meldete sich sofort.
    »Wann bist du zurückgekommen?«
    »Eben jetzt«, erklärte Alan. »Vor einer Minute.«
    »Nun, hast du…«
    »Ja! Ich habe es gefunden!«
    Aber noch immer hatte er einen weiten Weg vor sich, bis seine selbstgestellte Aufgabe erfüllt war. Cavours Tagebuch hatte ihn ein gutes Stück weitergebracht. Aber ganze Seiten gekritzelter Berechnungen sind noch lange kein Schiff, das schneller als das Licht reist. Und Alan hatte nicht die geringste Gewißheit, ob es möglich wäre, Cavours Ideen in einen wirklich anwendbaren Raumantrieb zu übertragen.
    Trotz aller fanatischen Besessenheit von dem Gedanken einer überlichtschnellen Raumfahrt, trotz all seiner Studien wußte Alan genau, daß er das meiste von dem, was er in Cavours Notizbuch gefunden hatte, nicht begriff.
    Die Erklärung seiner Theorie war an sich geradezu simpel. Man stelle sich einmal folgendes vor: Eine Ameise versucht ein Stück Stoff von etwa hundert Metern Breite zu überqueren. Die Ameise müßte endlos lange krabbeln, denn hundert Meter sind für eine winzige Ameise eine endlose Strecke. Legt man aber das Stück Stoff in Falten – »krümmt« ihn –, bis es zu einem Packen von etwa Spannenhöhe wird und schiebt dann eine Nadel durch sämtliche Schichten, so könnte sich die Ameise durch das von der Nadel gestochene Loch zwängen und wäre im Handumdrehen am Ziel. Ebenso geht es mit dem Universum. Solange ein Sternenschiff in gerader Linie von Stern A zu Stern B reisen muß und seine Geschwindigkeit nicht zu steigern vermag, solange wird eine solche Sternenreise unendlich viel Zeit benötigen, denn die Entfernungen zwischen den Sternen lassen sich nicht verkürzen. Gäbe es aber einen Weg, den Raum zu »krümmen«, indem man ihn ähnlich wie einen Stoff in Falten legt, und schickte man ein Sternenschiff entlang der »Nadel« durch den
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