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Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt des roten Todes - Das Mädchen mit der Maske: Roman (German Edition)
Autoren: Bethany Griffin
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Personal trägt Masken, damit sie die Keime aus der Unterstadt nicht ins Haus schleppen. Hier hingegen wäre es eine glatte Beleidigung, jemandem zu sagen, er müsse seine Atemluft filtern. Andererseits werden wir stets einzeln in den Untersuchungsraum gebeten. Wie soll man da sicher sein, dass andere Clubmitglieder nicht klammheimlich von der Seuche zerfressen werden?
    »Sieht so aus, als wärst du diese Woche sauber, Süße. Sieh zu, dass es so bleibt.« Er entlässt mich mit einer knappen Handbewegung. »Oh, und nächstes Mal solltest du dieses silberne Zeug auflegen. Dir steht es viel besser als deiner Freundin.«
    Er wendet sich ab, während ich unwillkürlich die Hand hebe. Hätte er ein wenig dichter vor mir gestanden, hätte ich ihn berührt.
    Ich berühre niemals andere Menschen.
    Zumindest nicht absichtlich. Zum Glück sieht er weder meine verräterische Geste noch den Ausdruck auf meinem Gesicht.
    Ich trete durch den Vorhang aus silbernen Perlenschnüren. Manchmal stelle ich mir vor, sie würden ein angenehmes Geräusch machen, wenn sie sich teilen, aber bisher habe ich nicht einmal das leiseste Klackern gehört. Es ist fast, als hätte sich die Diskretion des Clubs auch auf sein Mobiliar übertragen.
    April hat nicht auf mich gewartet. Es ist völlig normal, dass wir uns in dem Labyrinth aus Räumen von Zeit zu Zeit begegnen und uns wieder verlieren. Jede von uns hat ihre ganz eigene Weise, den Aufenthalt hier zu genießen.
    Das Gebäude erstreckt sich über fünf Stockwerke, was in diesem Teil der Stadt üblich ist. Ursprünglich war es als Wohnkomplex gedacht, doch inzwischen sind die Räume durch lange Korridore und halb geöffnete Türen miteinander verbunden.
    Das Einzige, was einem verrät, dass man sich noch im selben Gebäude befindet, sind die Drachen, die sich in jedem Zimmer finden – sei es in Gestalt von Schnitzereien oder als Statuen in Vitrinen, aber stets mit ihren roten Augen, die uns zu beobachten scheinen.
    In einigen Räumen liegen Perserteppiche auf dem Boden oder bedecken die Wände, um die Geräusche zu dämpfen oder den Tabak- und Opiumgeruch zu absorbieren. Im obersten Stockwerk des Gebäudes befinden sich Bibliotheken mit verbotenen Büchern – die eine beherbergt Bücher über okkulte Phänomene, in der anderen stehen Bücher über sexuelle Praktiken, von denen ich nicht einmal im Traum gedacht hätte, dass sie überhaupt existieren. Ich mag Bücher, halte mich aber eher in den unteren Stockwerken auf, wo Musik spielt.
    Ich schlendere von Raum zu Raum. Im Club herrscht immer Betrieb, viele Menschen, leises Stimmengewirr, hier und da tanzen die Leute oder stehen küssend in dunklen Ecken. April und ich sind bei Weitem nicht die einzigen Frauen hier.
    Die Stunden verstreichen. Allmählich verliere ich die Lust. Heute Abend will der Funke nicht überspringen. Es gelingt mir nicht, meine Niedergeschlagenheit abzustreifen; darüber, dass ich bin, wer ich bin. Ich wünschte, ich könnte mit der Menge verschmelzen, mich in jemand anderes verwandeln, in jemanden, der Teil von etwas Geheimnisvollem, etwas Umstürzlerischem und Aufregendem ist.
    Ein Mann folgt mir. Er ist blond, dünn und viel zu förmlich angezogen – dunkle Hosen und ein blaues, bis zum zweitobersten Knopf zugeknöpftes Hemd. Er passt so gar nicht in den mit reich verzierten Sofas möblierten Raum, wo ein Mädchen mit seiner Geige von Selbstmord singt. Er sagt etwas zu mir, aber ich kann ihn nicht verstehen. Ich gehe weiter.
    Er folgt mir auf die Damentoilette.
    Mädchen stehen in dem dunklen Raum und betrachten sich im Spiegel.
    Ich trete an ihnen vorbei in eine Kabine. Ein Mädchen versucht, mir mit ihrem hohen Absatz auf den Fuß zu treten. Ich mache einen Satz zur Seite und halte den Kopf gesenkt. Sie soll nicht sehen, dass mich ihr hämisches Grinsen abschreckt.
    Er macht die Tür hinter uns zu. Die Türen im Club sind gut geölt, sodass sie keinerlei Geräusch von sich geben. Und so dick, dass man nicht mitbekommt, was sich dahinter abspielt.
    »Was willst du?«, fragt er in amüsiertem Tonfall. Seine Selbstsicherheit lässt ihn älter wirken, als er aussieht. Wäre die Universität nicht längst geschlossen, würde er dort vermutlich studieren.
    »Vergessen.« Das ist mein größter Wunsch.
    »Was könnte ein hübsches Mädchen wie du denn vergessen wollen?«
    Ein hübsches Mädchen wie ich, mit meinen sauberen Fingernägeln und meinem tadellosen Gesundheitszeugnis.
    Er weiß rein gar nichts über
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