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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)
Autoren: Sara Gran
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Rettungsboote unterwegs war?«
    »Na ja«, sagte Leon, »denkbar wäre alles. Vielleicht ist er irgendwo anders ertrunken. Vielleicht ist er in das überschwemmte Gebiet gegangen, um zu helfen, aber ehrlich gesagt, glaube ich das nicht. Das sah Vic nicht ähnlich. Nicht, dass er ein schlechter Mensch gewesen wäre«, fügte er eilig hinzu, »er war nett und so. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich in die Fluten stürzt und dreckig macht, um irgendwelchen Fremden zu helfen. Im Sommer trug er immer diese Hirschlederschuhe, und wenn ihm da jemand drauftrat, wurde er wirklich sauer. Also nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wie dem auch sei. Vielleicht hat er die Wohnung verlassen, um sich was zu essen zu besorgen oder um sich umzusehen, was weiß ich, und ist dabei ertrunken. Man hörte damals ja ständig von diesen Springfluten – schwer zu sagen, was wann wo passiert ist. Aber es ist ziemlich unwahrscheinlich. Tja. Mehr kann ich nicht dazu sagen.«
    Wir starrten einander minutenlang an. Ich zitterte. Es war grau und um die vier Grad kalt, und die Luft roch nach Schnee. Aber hier im Süden war es unwahrscheinlich, dass es so weit kommen würde.
    »Erzählen Sie mir von Ihrem Onkel«, sagte ich.
    »Er war Jurist«, sagte Leon, »das wissen Sie ja schon.«
    »Ja«, sagte ich. »Das weiß ich. Was war er für ein Mensch?«
    »Hm«, sagte Leon, als denke er zum ersten Mal darüber nach. »Tja. Wissen Sie … Er machte einen netten Eindruck. Wir standen einander nicht besonders nah. Man hat sich regelmäßig getroffen, an Weihnachten und an Thanksgiving, zu Geburtstagen und Beerdigungen und so weiter. Nach dem Tod meiner Mutter war ich Vics einziger Angehöriger hier in der Stadt, deswegen habe ich versucht, regelmäßig nach ihm zu sehen. Nicht oft genug wahrscheinlich. Aber er war immer sehr beschäftigt. Die Arbeit hielt ihn auf Trab, außerdem hatte er ein reges Sozialleben, er war ständig zu irgendwelchen Bällen eingeladen und so. Das Leben der Reichen. Er war Mitglied in ziemlich vielen Clubs und hat sich auch für den Mardi Gras engagiert. Hm. Er hat sein gesamtes Leben in New Orleans verbracht. Ich glaube, das ist Ihnen alles nicht neu.«
    »Wo ist der Rest der Familie?«, fragte ich.
    »Nun ja, meine Eltern sind gestorben. Vor langer Zeit. Vic war der Bruder meiner Mutter. Ich habe zwei Schwestern, eine wohnt in New York und die andere in L. A. Meine Familie väterlicherseits wohnt größtenteils hier in der Stadt, aber mit der hatte Vic natürlich nicht so viel zu tun. Man traf sich an den Feiertagen und so weiter, aber darüber hinaus hatte man keinen Kontakt. Und Vic hatte keine Kinder. Er hat sich hin und wieder mit einer Frau getroffen, aber daraus hat sich nie was entwickelt. Ich glaube, er wollte das nicht. Ich glaube, er hat lieber allein gelebt.«
    »Dann waren also von dem Zweig der Familie, vom mütterlichen Zweig, nur noch er und Sie übrig?«
    Leon nickte. »Ja, hier in der Stadt waren wir zu zweit. Außer Vic hatte meine Mutter keine Geschwister. Es gab Cousinen und Cousins, aber die waren älter und sind längst alle gestorben.«
    »Haben Sie Ihren Onkel geliebt?«, fragte ich.
    »Na ja«, sagte Leon und runzelte die Stirn, »er war mein Onkel.«
    »Denn Sie müssen wissen«, erklärte ich, »dass meine Arbeit viel Zeit und Geld kosten wird und Sie möglicherweise nicht erfreut sein werden über das, was ans Licht kommt. Falls Sie ihn also nicht geliebt haben, sollten Sie es sich vielleicht noch einmal überlegen, nun, da es noch nicht zu spät ist. Es handelt sich um eine große Sache, die, einmal angestoßen, nicht mehr aufzuhalten ist.«
    Leon schwieg einen Augenblick, bevor er antwortete. Ich aß meine Jambalaya. Der Kellner kam und entfernte Teller, Löffel und Serviette ebenso vorsichtig, wie er sie plaziert hatte.
    »Vic hat mir alles vererbt«, sagte Leon schließlich. »Das hätte er nicht tun müssen. Er verfügte über Immobilien und kleine Grundstücke, überall in der Stadt. Er hatte sie von seinem Vater geerbt. Ich wusste, dass die Familie Geld besessen hatte, aber ich wusste nicht, dass es so viel war. Das Erbe wäre ohnehin an mich gegangen, schließlich lebt außer mir keiner mehr. Aber Vic ist eigens zum Notar gegangen, um ein Testament zu machen. Er hat dafür gesorgt, dass ich alles bekomme und darüber informiert bin, was sich wo befindet.« Wieder hielt er inne und runzelte die Stirn. »Ich dachte, na gut. Aber dann habe ich die Wohnung
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