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Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)

Titel: Die Stadt der Toten: Ein Fall für die beste Ermittlerin der Welt (German Edition)
Autoren: Sara Gran
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warf.
    Es sollte das vorerst letzte Crawfish Festival bleiben.
    Leon bestellte ein Bier. Ich wollte einen Pimm’s Cup und einen Teller Jambalaya.
    »Also gut«, sagte ich, »wann haben Sie Ihren Onkel das letzte Mal getroffen?«
    »Getroffen?«, sagte Leon. »Getroffen?« Ich sah vor meinem geistigen Auge, wie er seinen Onkel mit einer Axt traf und in zwei Teile hieb. »Tja, das weiß ich nicht mehr. Vielleicht ein paar Monate davor.«
    »Schön«, versuchte ich es noch einmal, »wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen? Oder anderweitig seine Position in Raum und Zeit bestimmen können, Sie verstehen schon.«
    »Oh, okay«, sagte Leon erleichtert. »Ich habe Sonntag mit ihm telefoniert, am Abend vor dem Sturm. Er war in seiner Wohnung und sagte, er werde zu Hause bleiben.«
    »Und zu Hause wäre …«
    »Nur ein paar Blocks von hier. Vic hat an der Lower Bourbon gewohnt. Er wollte da bleiben. Ich habe ihm gesagt, dass ich das für keine gute Idee hielte. Ich habe ihm angeboten, ihn abzuholen und mitzunehmen. Ich bin damals zu meiner Freundin – zu meiner Ex-Freundin – nach Abita Springs gefahren. Das war ein bescheuerter Fehler, aber wenigstens hatten wir eine Anlaufstelle. Am Sonntag habe ich Vic also angerufen, um zu hören, ob er seine Meinung geändert hätte. Ich hatte ihn schon am Freitag angerufen und am Samstag und am Sonntag auch wieder. Ich wollte ihn überzeugen, sich evakuieren zu lassen. Ganz offensichtlich vergeblich. Am Montag sind die Telefonleitungen zusammengebrochen und …«
    Was dann kam, war klar, und er beendete seinen Satz nicht.
    »Also«, fuhr er fort, »wissen Sie. Ich habe mir erst nach einer ganzen Weile Sorgen gemacht. Wir kamen erst nach ein paar Tagen aus Abita Springs raus. Da oben waren wir in Sicherheit, aber wir hatten weder Strom noch Wasser und nicht viel zu essen, deswegen sind wir fort, sobald die Straßen freigeräumt waren, zumindest von den großen Hindernissen. Trotzdem haben wir bis Memphis fast zehn Stunden gebraucht, weil wir alle paar Kilometer Zeug von der Straße schaffen mussten. Zuerst waren wir also in Memphis, für etwa eine Woche, aber da war es echt voll, und wir haben nur ein winziges Hotelzimmer in der Nähe von Graceland gefunden. Überall waren die Superdome-Leute, Sie wissen schon, und die waren echt sauer. Sie wissen schon. Da konnte man wirklich Angst bekommen. Deswegen sind wir nach … Austin geflogen. Genau, nach Austin. Wir haben da Freunde, und wir durften für eine Weile in deren Wohnwagen im Vorgarten schlafen. Aber dann haben sie Besuch bekommen, und wir mussten weiter, deswegen haben wir uns für ein paar Wochen bei Freunden in Tampa einquartiert. Dann sind wir für eine Weile zurück nach Abita Springs. Und dann …«
    Der Kellner brachte die Getränke und mein Essen. Er stellte alles übervorsichtig auf dem Tisch ab, man konnte sehen, dass es sein erster Tag als Kellner war.
    »Wie dem auch sei«, sagte Leon, als der Kellner weg war. »Wo war ich stehengeblieben?«
    »Ihr Onkel«, sagte ich.
    »Ach ja«, sagte er. »Vic. Es hat also eine ganze Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, dass er weg war. Ich meine, wirklich weg. Nicht bloß abgetaucht, sondern richtig verschwunden. Ich wusste ja, dass sein Telefonanschluss nicht mehr funktionierte, und ich dachte mir, sein Handy sei verloren oder kaputt oder so. Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht, als er sich so lange nicht gemeldet hat. Tagelang nicht. Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht im Superdome und auch nicht im Convention Center war. Man hatte die Leute gezwungen, dahin zu gehen, aber Vic war ein cleverer Bursche, und ich nahm an, er sei darum herumgekommen. Außerdem hatte er, na ja, Beziehungen. Er war nicht bloß irgendjemand.«
    Nein, das war er nicht. Ich hatte Vic Willing nie kennengelernt, aber ich wusste, wer er war. Er hatte mehr als zwanzig Jahre für die Staatsanwaltschaft von New Orleans gearbeitet. Zum Zeitpunkt des Hurrikans war er sechsundfünfzig Jahre alt gewesen. Er hatte gegen Mörder, Vergewaltiger und Drogendealer ermittelt. Wie die meisten Strafverfolger in New Orleans war er dabei nicht sonderlich erfolgreich, aber immerhin erfolgreicher als seine Kollegen gewesen. Er war als aufrechter, einigermaßen intelligenter Staatsanwalt bekannt, der in einer anderen Stadt – in der die Staatsanwaltschaft und die Polizei miteinander kommunizierten, in der weniger als drei bis vier Morde pro Woche begangen wurden, in der die Staatsanwälte eigene
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