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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern
Autoren: Guido Dieckmann
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Wäre Osterlamm nicht gewesen, hätten die anderen Ratsherren vielleicht eine Chance gehabt, mit dem Leben davonzukommen. Aber der Wahnsinnige riss sie mit ins Verderben. Er verriet Farnese, wer die Urkunde unterschrieben hatte, in der sich die Stadt der Utrechter Union unterstellt. Anschließend beschimpfte und bedrohte er Farnese von neuem. Er sei ein verdammter Papist, der zur Hölle fahren würde, und habe sich das Amt des königlichen Statthalters mit Lug und Trug erschlichen. Die eigene Mutter würde er wie eine Gefangene in Namur festhalten, aber die sei schließlich auch nur eine Höllenhure, kaum besser als er selbst. Und Farneses Großmutter sei ein armseliges Dienstmädchen gewesen, das den Kaiser verhext habe, um nicht in einem öden Loch versauern zu müssen. Mir wurde ganz anders, als ich ihn so viel Gift versprühen hörte.»
    Frans holte tief Luft, bevor er weitersprach. «Nachdem er den Statthalter beleidigt hatte, erklärte er, dass die Spanier verschwinden sollten und dass König Philipp seine alten Rechte an den Provinzen Flandern, Holland und Brabant längst eingebüßt hätte. Einige der Ratsherren versuchten vergeblich, Osterlamm zu beschwichtigen, aber es war zu spät.» Frans schob die Schüssel mit Eintopf zur Seite, ließ es aber zu, dass Griet ihm den Becher mit dunklem Bier füllte. Gierig trank er, als gelänge es ihm auf diese Weise, die furchtbaren Erinnerungen fortzuspülen. Ein dünnes Rinnsal lief über sein stoppeliges Kinn.
    «Der Statthalter gab sich zunächst unbeeindruckt. Er beachtete Osterlamm gar nicht. Aber ich bemerkte, wie der Mann innerlich kochte. Von einem Kerl wie Osterlamm lässt sich der Herzog von Parma und Neffe des spanischen Königs nicht angreifen.»
    «Ein Heuchler ist er», platzte es aus Griet heraus. Verbittert stellte sie den Bierkrug auf ein Regal über der großen Truhe. «Farnese hatte sein Urteil gesprochen, noch bevor sein Schreiber die Ratsherren aufrief, zu ihm ins Rathaus zu kommen. Er ist ein Tyrann vom Schlag seines Vorgängers Alba. Nein, schlimmer. Herzog von Alba kam in die Niederlande, um uns in die Knie zu zwingen, das hat auch Willem immer gesagt. Seine Gerichte schickten Tausende aufs Schafott. Wenigstens gab er sich nicht den Anschein eines gerechten Richters und spielte mit uns.»
    «Alessandro Farnese hat seinen Soldaten bei schwerer Strafe verboten, Oudenaarde zu plündern», gab Frans Marx leise zu bedenken. «Dies hätte Alba niemals getan, der ließ seine Männer wie die Teufel hausen. Vergiss nicht, dass Farneses Mutter in Oudenaarde zur Welt kam. Das verbindet ihn mit uns Flamen auf ewig. Es gibt ein paar Familien, die sich noch an Margarethe erinnern, und obwohl der Statthalter durch und durch Italiener ist, könnte seine Herkunft für uns von Bedeutung sein. Er wird schon aus taktischen Gründen nicht zulassen, dass die Heimat seiner Vorfahren wirtschaftlich weit hinter Antwerpen oder Amsterdam im Norden zurückfällt.» Frans atmete schwer. Sein Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an, der Griet nicht gefiel. Ihr entging nicht, wie oft die linke Hand des Teppichwebers zum Herzen wanderte. Farnese mochte sein Leben geschont haben, innerlich aber war Frans Marx gebrochen. Ein Greis. Unruhig blickte Griet zu den hohen, gerundeten Fenstern, die ein Knecht sofort nach ihrer Rückkehr mit Brettern vernagelt hatte. Unter anderen Umständen hätte sie nach einem Arzt geschickt, damit er nach Frans sah, aber dem einzigen Mann, dem sie solchen Mut zutraute, mitten in der Nacht durch eine von Kriegsvolk besetzte Stadt zu laufen, war der alte Karel Bloemhuis aus Leiden, und der lebte am anderen Ufer der Schelde, bei der Kirche von Pamele.
    «Vielleicht hat der Statthalter mich laufen lassen, weil ich der Älteste war», murmelte Frans Marx. «Ein gebrechlicher Greis, dessen einziger Sohn schon auf dem Friedhof liegt, kann den Spaniern kaum gefährlich werden.» Er lächelte schwach. «Als die Reihe an mir war, flüsterte ein junger Spanier dem Statthalter etwas zu, worauf dieser mich kurz musterte, dann aber in den Raum nach nebenan schickte. Dort wartete ich, bis der junge Mann kam und mir sagte, ich könnte nach Hause gehen. Es wäre mir sehr viel wohler, wenn ich wüsste, warum ich verschont wurde.»
    «Wer war dieser Spanier?», fragte Griet nachdenklich.
    «Hör endlich auf, dir den Kopf darüber zu zerbrechen!» Hanna Marx warf Griet einen Blick zu, der sie warnte, sich in Männerangelegenheiten einzumischen. Frans war verschont
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