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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern
Autoren: Guido Dieckmann
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teilte und viel lieber einen anderen Ehemann an ihrer Seite gesehen hätte. Möglichst einen aus altem Brabanter Adel.
    Gegen Mittag holte Hanna ihr Schultertuch und verkündete, den trauernden Angehörigen des Bürgermeisters einen Besuch abstatten zu wollen. Sie bat Griet, sie zum Haus der Familie Osterlamm zu begleiten. Griet fühlte sich unwohl dabei, wusste aber, dass sie sich dieser nachbarschaftlichen Pflicht nicht verweigern durfte.
    «Ruf Beelken», sagte Hanna. «Sie soll mit uns kommen.»
    Die Kinderfrau folgte Griet nur zögerlich. Sie war bleich und zitterte, während ihre Augen die menschenleere Gasse nach Spaniern absuchten. Vermutlich war die Erinnerung daran, wie sie grob durch die Straßen Oudenaardes getrieben worden war, noch zu frisch. Hanna hatte die Kratzer auf Beelkens Brust noch in der Nacht mit einer Salbe aus Schmalz und Ringelblumen behandelt. Die äußeren Wunden würden bald heilen.
    Wie Beelken befürchtet hatte, begegneten die drei schon nach wenigen Schritten der ersten spanischen Patrouille. Ihre finsteren Mienen verrieten, dass sie sich langweilten und das Verbot ihres Befehlshabers, in der Stadt zu plündern, missbilligten. Schlecht gelaunt traten sie nach dem Federvieh, das auf den Gassen nach Futter pickte, und einer stieß mit seiner Lanze Tonkrüge und Schüsseln von den Fenstervorsprüngen.
    Griet bemühte sich, den spanischen Posten aus dem Weg zu gehen, aber ihr Herz klopfte, sooft sie eine neue Gruppe Soldaten auch nur von ferne kommen sah. Bei der Sint-Walburgakerk zog eine Eierhändlerin, die ihr Kopftuch tief in die Stirn gezogen hatte, ihren Karren über den aufgeweichten Boden. Ihr Gesicht war feuerrot vor Anstrengung. Griet kannte die Frau, auch wenn sie noch nie mehr als ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte. An Markttagen stellte sie ihr kleines Gefährt vor der Lakenhalle ab, weil sie von dort aus das geschäftige Treiben am besten überblicken konnte. Da noch nicht bekannt war, wann in Oudenaarde wieder Markttag abgehalten werden durfte, zog sie von Haus zu Haus, um ihre Ware zu verkaufen. Sie hielt vor den Häusern, deren Fensterläden nicht geschlossen waren, und klopfte. Kaum jemand öffnete ihr.
    An der Abzweigung, die am Badehaus vorbei zum Kirchplatz führte, wurde der Alten der Weg versperrt. Grinsend näherten sich zwei spanische Soldaten ihrem Karren. Griet bedeutete Hanna und Beelken, hinter ein paar Sandsäcken, die zur Verteidigung der Mauern hatten dienen sollen, Schutz zu suchen. Sie verstand kaum ein Wort Spanisch, bekam aber doch mit, dass die Händlerin nach einem Passierschein gefragt wurde. Als das Weib mit den Schultern zuckte, stieß der Soldat sie so grob zur Seite, dass sie in den Straßenschmutz fiel. Die Alte heulte auf, was ihre Peiniger, die kaum älter als fünfundzwanzig Jahre waren, offensichtlich amüsierte. Sie nahmen einige der Eier aus dem Stroh und fingen an, sie einander zuzuwerfen, wobei die meisten auf dem Boden zerbrachen oder in dampfenden Dunggruben landeten. Die Männer lachten boshaft. Schließlich kippten sie den Karren um und traten die Ware der Händlerin in den Schmutz.
    Die Eierhändlerin raufte sich das weiße Haar, während sie sich hilfesuchend umblickte. Von dem Geschrei der Frau und dem Gelächter der Männer angelockt, erschienen einige Gesichter an den Fenstern, klappten jedoch erschrocken die Läden wieder zu, als das Weib bittend die Arme hob. Keiner wagte es, sich mit den Bewaffneten anzulegen.
    «Lass uns vorbeigehen, sie schauen gerade nicht her», flüsterte Hanna. «Wir können hier doch nichts ausrichten. Die Burschen dürfen nicht plündern, deshalb sind sie wütend. Wenn sie einen Wagen nach Waffen oder verbotenen Schriften durchsuchen und dabei ein paar Eier zerbrechen, wird sie niemand zur Verantwortung ziehen.»
    «Außerdem hat uns ja niemand einen Passierschein ausgestellt», meldete sich Beelken, deren Stimme wie das Fiepen eines Welpen klang; offensichtlich rechnete sie damit, jede Sekunde von einem der Spanier gestellt und in den nächsten Schuppen gezogen zu werden.
    Griet biss sich auf die Lippen. Sie war anderer Meinung. Wenn sich jetzt niemand zur Wehr setzte, würde es in ganz Oudenaarde bald wie auf einem Friedhof aussehen. Bald würde es kein Flame mehr wagen, sich auf der Straße blicken zu lassen, der Markt würde veröden, Handel und Handwerk würden zusammenbrechen. Schon jetzt drangen Söldner auf der Suche nach angeblichen Waffenverstecken vereinzelt in die Wohnungen harmloser
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