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Die Stadt der schwarzen Schwestern

Die Stadt der schwarzen Schwestern

Titel: Die Stadt der schwarzen Schwestern
Autoren: Guido Dieckmann
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gewesen, obwohl sie sich wie alle Mädchen über hübsche Kleider und Schmuck gefreut hatte. Seit sie jedoch kein Gefühl mehr im Arm hatte, kam sie sich plump und hässlich vor. Willems seltene Zärtlichkeiten hatten sie nicht vom Gegenteil überzeugt.
    Erneut blickte sie auf den Feuerschein auf ihrem Körper. Ihr dichtes Haar leuchtete rot wie Kupfer. Ihr Bauch und ihre Schenkel waren auch nach Basses Geburt noch straff, ebenso ihre Brüste. Ob sich noch einmal ein Mann fand, der es mit ihr versuchen mochte? Vielleicht war eine erneute Heirat der Ausweg aus der bedrückenden Enge dieses Hauses? Sie war noch jung, galt in der Stadt als ehrsam und hatte bewiesen, dass sie in der Lage war, Söhne zu gebären. Bestimmt gab es den einen oder anderen Handwerksmeister in Oudenaarde, der nur darauf wartete, sich mit der Familie Marx zu verbinden.
    Die Sache hatte nur einen Haken, genauer gesagt drei. Zum einen gehörte Griet nur durch ihre Heirat mit Willem zur angesehenen Familie Marx. In Zukunft würde sie lediglich im Haus geduldet sein, weil sie Basses Mutter war. Zum zweiten durfte sich kein Heiratskandidat Hoffnungen auf eine reiche Mitgift machen. Frans Marx war bestimmt nicht bereit, ihr das Brautgeld, das ihr Vater nach ihrer Übersiedelung aus Brüssel gezahlt hatte, zurückzuerstatten. Doch der dritte Punkt wog für Griet am schwersten. Sie konnte es sich nicht vorstellen, noch einmal mit einem Mann glücklich zu werden. Wie wollte sie da heiraten?

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 3
    In dieser Nacht fand Griet keine Ruhe. Zweimal schreckte sie aus Albträumen auf, in denen Hände aus brennenden Wandteppichen nach ihr griffen. Ihr Kopf fühlte sich schwer wie ein Tonkrug an, als sie im Morgengrauen die Treppe herunterkam. In der Küche traf sie Hanna, die vor ihr aufgestanden war, um mit einer Magd zusammen das Frühstück zuzubereiten.
    «Frans fühlt sich nicht wohl», verkündete die alte Frau mit fester Stimme. «Er wird heute nicht vor die Tür gehen. Vermutlich ist es auch besser, wenn er sich in den nächsten Tagen nicht auf der Straße blicken lässt.»
    Griet stimmte ihrer Schwiegermutter zu. Welcher Laune Frans sein Leben auch verdanken mochte, sicher war er in der besetzten Stadt deswegen noch lange nicht. Griet dachte sogar darüber nach, ob es nicht angebracht war, ihn eine Zeitlang aufs Land zu bringen. Oder nach Brüssel, wo er im Haus ihres Vaters abwarten konnte, bis sich die Wogen etwas geglättet hatten. Doch als sie wenig später mit ihrem Schwiegervater darüber sprach, lehnte er ihren Vorschlag ab. «Was soll aus der Weberei werden, wenn ich einfach davonlaufe?», erklärte er. «Außerdem weißt du, dass dein Vater und ich es nicht lange in einem Raum miteinander aushalten, ohne dass es Streit gibt. Wir sind zu verschieden.»
    Griet lächelte widerwillig. Oh ja, dieser Umstand war ihr sehr wohl bekannt. Ihr Vater Sinter van den Dijcke gehörte der geachteten Brabanter Rechnungskammer an, hatte aber in den letzten Jahren immer weniger Interesse an seinem Amt gezeigt. Früh verwitwet, galt Sinters Interesse mehr schönen Frauen, dem Würfelspiel und der Musik als trockenen Akten. Er verbrachte seine Abende damit, seinen häufig wechselnden Geliebten Verse vorzulesen oder für sie auf der Laute zu spielen. Um den Krieg, der in Flandern und Brabant tobte, kümmerte Sinter sich nicht, der ging ihn nichts an. Griet hatte ihn seit ihrer Hochzeit, welcher er nur widerwillig zugestimmt hatte, nicht oft gesehen. Es gab nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Tochter, immerhin schrieben sie einander hin und wieder. Mit der Handwerkerfamilie, bei der seine Tochter lebte, verstand sich Sinter van den Dijcke dagegen überhaupt nicht.
    «Bevor ich Sinters Haus betrete, lasse ich mich auch noch in einen Teppich rollen und aus dem Fenster werfen», pflichtete Hanna Marx ihrem Mann bei. «Tut mir leid, mein Kind, ich will dich nicht beleidigen. Aber dieser Mensch ist einfach unmöglich. Ein Kerl in seinem Alter, der singt und Lieder dichtet wie ein verliebter Jüngling und sich in Tavernen die Nächte um die Ohren schlägt, sollte sich einfach schämen. Außerdem hat er es immer mit dem König und dessen Statthaltern gehalten.»
    Griet senkte den Kopf. Es traf sie, wie Hanna über ihren Vater sprach, auch wenn sie den Grund für deren Abneigung genau kannte. Sinter van den Dijcke hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Begeisterung seiner Tochter für die Kunst des Teppichwirkens nicht
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