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Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)

Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)

Titel: Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Brownlee
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Gestalt in den Schatten.
    »Wer ist da?«
    »Ein armer Sünder. Bitte, Schwester – geben Sie mir die Hand.«
    Sie streckt den Arm aus und berührt etwas, das sich ledrig rauh anfühlt. Dann spürt sie plötzlich einen stechenden Schmerz im Hals, direkt unter dem Kiefer. Vor Überraschung will sie aufschreien, aber in ihrem Blickfeld explodieren nur noch wundersame Kaskaden blendend weißen Lichts, und sie merkt, dass sie ihre Beine nicht mehr spürt.
    Danach kommt nur noch Dunkelheit.
    »Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens.«
    Mittlerweile ist sie bei Psalm 130 angekommen.
    »Ich harre des Herrn, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort.«
    Nur noch zwanzig Psalmen, dann muss sie wieder von vorn beginnen.
    Doch dann wird sie plötzlich von Licht geblendet. Sie kneift die Augen zu, doch es dringt durch ihre Lider und verbrennt ihr die Netzhaut. Sie hört ein Geräusch, als würde etwas über Stein geschleift. Es kommt näher. Ihr Mund bewegt sich, aber er ist zu trocken, um wirklich ein Wort hervorzubringen. Wie dringend sie jetzt einen Schluck Wasser bräuchte. Sie versucht die Augen zu öffnen, aber nach der langen Zeit in der absoluten Finsternis fühlt es sich an, als würden ihr Nadeln in die Augen stechen. Mehr als vage Schatten kann sie nicht erkennen.
    »Öffnen Sie die Augen, Schwester.«
    »Ich kann nicht. Es tut weh.«
    »Öffnen Sie die Augen.«
    Vorsichtig hebt sie ein Augenlid. Das Licht sticht immer noch, aber nicht so heftig wie vorher. Dann macht sie auch das andere Auge auf.
    »Können Sie jetzt sehen?«
    Die verschwommenen Bilder werden schärfer.
    Der Mensch, der sie verschleppt hat, steht neben ihr, umrahmt vom flackernden Licht einer Öllampe. Zu ihrer Überraschung erkennt sie das Gesicht, und zum ersten Mal in diesem ganzen Martyrium wird sie richtig wütend. »Wie kannst du es wagen, mir so etwas anzutun!«
    Die Person schlurft mitsamt der Lampe ein Stück beiseite, so dass sie sie nicht mehr sehen kann. Einen Moment lang sieht sie ihren eigenen Schatten über eine Wand aus zerbröckelndem, ungleichmäßigem Mauerwerk huschen. Die Beine hat sie unter den Körper angezogen, ihre Hände sind hinter dem Kopf gefesselt. Befindet sie sich in einer Art Tunnel?
    »Was haben Sie mit mir vor?« Der Zorn ist bereits der Angst gewichen.
    »Ich glaube, Sie kennen die Antwort, Schwester.«
    Allerdings. Aber sosehr sie sich auch zusammenreißt, der erste Schlag auf die nackte Haut ihres Rückens schmerzt grauenvoller, als sie sich jemals hätte vorstellen können.

4
    L ol Quarrie war ein neunundfünfzigjähriger ehemaliger Police Sergeant aus Antrim und hatte bei Ulster als Zweite-Reihe-Stürmer gespielt – in den alten Zeiten, als Rugby-Spieler noch ungestraft sechzig Zigaretten am Tag rauchen und am Abend vor einem Spiel ihre fünf Bierchen trinken durften. Doch seine Jugend und damit seine Unverletzbarkeit waren längst Vergangenheit. Vor drei Monaten hatte er sich vier Bypässe legen lassen müssen, was ihn hart getroffen hatte – fast so hart wie seine Pensionierung aus dem Dienst in der Königlichen Polizei von Ulster an seinem fünfzigsten Geburtstag. Nach Aussage seiner Freunde, die ihn am Tage seines Todes im Constabulary Club gesehen hatten, wirkte er durchaus gut gelaunt, wenn auch nicht so strahlend wie sonst. Sie schrieben es der Tatsache zu, dass er ein frugales Mahl aus gedünstetem Fisch verzehren und mit Mineralwasser herunterspülen musste. Bis zu seiner OP hatte der alte Lol auf Roastbeef und Guinness geschworen.
    Kurz nach drei Uhr nachmittags verließ Quarrie den Club und wurde zuletzt gesehen, wie er zum Taxistand an der südwestlichen Ecke des Jamhuri Park in der Innenstadt von Mombasa ging. Warum er sich vier Stunden später von den Mauern des Fort Jesus in den Tod hätte stürzen sollen, dazu konnte man nur Vermutungen anstellen. Wie war er überhaupt dort reingekommen? Das Fort war seit fast einer Woche für die Öffentlichkeit gesperrt, da man im Inneren dringende Restaurierungsarbeiten an den brüchigen Mauern durchführen musste. Das massive Haupttor war verriegelt.
    Der letzte Mensch, der ihn lebend gesehen hatte, war eine Nutte aus der Altstadt, genannt »Dutch Alice«. Und wenn sie nicht gerade einem marokkanischen Hafenarbeiter in einem nasskalten, abgeriegelten Durchgang, durch den man früher Munition und Vorräte ins Fort transportiert hatte, einen Blowjob verpasst hätte,
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