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Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)

Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)

Titel: Die Spur der Hyäne: Thriller (German Edition)
Autoren: Nick Brownlee
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hätte es gar keinen Zeugen der letzten Momente im Leben des Lol Quarrie gegeben.
    Dutch Alice war weiß, wahrscheinlich Ende vierzig und arbeitete seit zwanzig Jahren in der Altstadt. Als Zeugin hatte sie sich nur gemeldet, weil sie darauf spekulierte, dass dabei ein paar Dollar für sie herausspringen könnten. Als sie am Tisch im Vernehmungszimmer des Polizeipräsidiums Mombasa saß, sah man ihr deutlich an, wie es sie ärgerte, dass die Befragung länger dauerte als gedacht.
    »Wie lange soll das denn hier noch dauern, Inspector?«, blaffte sie und blies Zigarettenrauch zum kaputten Ventilator empor. Dabei kratzte sie sich geistesabwesend an einem Streifen eingetrocknetem Make-up hinter dem Ohr. »Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass mich das hier bares Geld kostet.«
    Jouma betrachtete sie über die abgenutzte Holztischplatte hinweg. »Ein Mann ist gestorben«, sagte er.
    Dutch Alice verdrehte die Augen. »Na, ich hab ihn nicht runtergeschubst!«
    »Nein – aber Sie haben ihn fallen sehen.«
    »Tja, mittlerweile wünsch ich mir, ich hätte grad woanders hingeguckt. Das hat man nun davon, wenn man was fürs Gemeinwohl tun will. Ich komm mir langsam vor wie eine Verbrecherin.«
    »Bitte. Erzählen Sie mir noch einmal, was Sie gesehen haben.«
    Die Nutte schnaubte und zog an ihrer Zigarette, und Jouma fragte sich, welche Entlohnung sie sich für ihren Einsatz fürs Gemeinwohl wohl ausgerechnet hatte.
    »Ich hab hochgeguckt, und da stand er eben einfach da oben. Auf der Mauer. Also … ich weiß nicht, wo er herkam.«
    »Haben Sie darüber eine Bemerkung zu Ihrem … Kunden gemacht?«
    Dutch Alice lächelte lasziv. »Ich hatte grad den Mund voll, Inspector.«
    Jouma versuchte, sich die Szene nicht bildlich vorzustellen. »Sie haben vorhin erwähnt, dass es wirkte, als wäre Mr.Quarrie nicht ganz sicher auf den Beinen gewesen.«
    »Quarrie? Ist das der Name der Leiche?«
    Jouma nickte.
    »Was ist denn das für ’n Name? Jüdisch?«
    »Wenn Sie bitte meine Frage beantworten könnten?«
    »Also, wenn Sie mich fragen – der war betrunken. Der taumelte rum, redete mit sich selbst, Sie wissen schon. Was Besoffene eben so machen.«
    »Haben Sie gehört, was er sagte?«
    »Nein.«
    »Haben Sie in der Gegend jemanden gesehen, der sich irgendwie verdächtig verhielt?«
    »Wo – in der Altstadt?« Dutch Alice sah ihn an, als wäre er der letzte Einfaltspinsel. »In der Altstadt ist jeder zweite Mann auf der Straße auf der Suche nach einem Fick. Die sehen alle verdächtig aus.«
    »Dieser Mann, der mit Ihnen zusammen war – haben Sie den vorher schon einmal gesehen?«
    »Abdelbassir?« Sie lachte grob. »Ich kenn jede Falte in seinem dreckigen Marokkanerschwanz.«
    »Warum ist er weggerannt?«
    »Wären Sie das nicht?«
    »Wissen Sie, wo er sich jetzt aufhält?«
    »Ich schätze, der ist bei seiner Frau und lügt ihr die Hucke voll.«
    »Wissen Sie, wo er wohnt?«
    »Wieso sollte mich das interessieren? Weihnachtskarten schick ich ihm bestimmt nicht. Aber keine Sorge, Inspector. Der kommt wieder. Die kommen immer wieder.« Sie ließ ihre Zunge klapperschlangenartig hervorschnellen und brach in Gelächter aus, als Jouma zurückzuckte.
    »Sie sind ja mal ein ganz Empfindlicher, was?«, spöttelte sie. »Überrascht mich. Nach allem, was ich von Ihnen gehört habe. Der Mann, der in Mombasa aufgeräumt hat! So nennen sie Sie doch in den Zeitungen, oder?«
    Jouma sah ihr ins Gesicht und merkte, wie ihm der Mut sank. »Sie sollten nicht alles glauben, was in der Zeitung steht«, erwiderte er.

5
    Q uarries Körper lag auf einem stählernen Autopsietisch in der Leichenhalle im Untergeschoss des Krankenhauses von Mombasa.
    »Saubere Arbeit, finden Sie nicht auch?« Christie, der Pathologe, fuhr mit einem latexbekleideten Finger über die rauhe, an die dreißig Zentimeter lange Narbe, die senkrecht über die Brust des Toten verlief. »Schnurgerade. Und ziemlich frisch. Das erleichtert mir die Arbeit.« Mit einer schwungvollen Bewegung seines Skalpells öffnete Christie die Wunde. Ein kurzer Ruck, und das Fleisch teilte sich wie ein Vorhang, um den Blick auf die weißen Knochen freizugeben.
    Von seinem üblichen Platz aus – bei Autopsien drückte er sich fest an die gekachelte Wand und umklammerte mit den Fingern die Bank, um irgendeine Stütze zu spüren – beobachtete Jouma fassungslos, wie Christie die Drähte aus rostfreiem Stahl entwirrte, mit denen er dann die zwei Hälften des aufgeschlitzten Oberkörpers
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