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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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Nonsens.

    In der Gaststube angekommen, öffnet von Wolzogen ein
weiteres Fenster, lässt trübes Tageslicht herein. Draußen pladdert der Regen.
Pladdert, wie Regen immer pladdert. Von Wolzogen lässt sich auf einen Stuhl
fallen, wischt sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und sieht sich um. Irgendwo
müsste doch ein Hinweis sein, der Lisbeth und den Müller verrät. Der einen
klugen Menschen wie von Wolzogen zu ihrem Fluchtziel führt.

    Sein Blick fliegt über die Tische, den Ofen, die Reihe
der Fenster entlang. Da, das Bild! Das Gemälde an der langen Wand! Zeigte
kürzlich diese schöne Heilige im Fürstenkleid, die zerlumpte und verletzte
Wanderer mit Brot und Medizin versorgte. Sie ist verschwunden. Nur ihr
Heiligenschein ist geblieben, hängt frei vor der Kulisse des Kölner Doms. Die
Wanderer knien vor einem leeren Korb, blicken ratlos zum Himmel.

    Von Wolzogen traut seinen Augen nicht, will aufstehen,
hinübergehen, das Bildnis aus der Nähe betrachten. Da kippt der Stuhl, auf dem
er sitzt. Bricht unter ihm weg. Von Wolzogen landet auf seinem Hinterteil, sein
verwundeter Fuß meldet sich schmerzvoll. Er sieht nach dem Stuhl. Der zeigt
eingeritzte Runen. Und hat nur zwei Beine. Zwei Beine? Das gibt es nicht! Von
Wolzogen hat minutenlang auf einem mit Runen beritzten zweibeinigen Stuhl
gesessen!

    Er fasst sich, will sich aufrappeln.

    Da ist sie! Die Frau aus dem Gemälde schwebt lautlos und
durchscheinend blass vor ihm nieder, bückt sich, streckt beide Hände nach
seinem kranken Fuß aus.

    Das Entsetzen ist größer als der Schmerz. Von Wolzogen
hastet auf allen vieren hinaus, stolpert über den Hof, hievt sich auf seinen
Rappen und galoppiert durch Sturm und Hagel davon.

28     Jost

     
    Aus den Schriften eines Bettelmönchs, entdeckt 1773 als
gut erhaltene Flaschenpost im Schlick eines Rheinarms bei Emmerich, dem
Franziskanerkloster Kempen übereignet und seither daselbst aufbewahrt.

    Ein sonniger Tag im Jahr des Herrn 1756 zwischen Trinitatis und Mariä Himmelfahrt

    Der Herr sei mit uns, denn mein lieber junger
Bruder Franziskus und ich haben ein Waisenkind vor dem sicheren Tod durch
Hunger und Verelendung bewahrt, als wir unbehelligt eindrangen in das Reich der
Verdammnis, wo Tränen und Geschrei zu Hause sind und wo der Kot und die Kotze
derer, die darin wohnen, mit dem Schwamm in den Wänden selbiger Behausung eine
derart unzerstörbare Verbindung eingegangen sind, dass allenfalls ein Erdbeben
das Elend zum Einstürzen zu bringen vermöchte. Solchem Dasein entrinnt im
Normalfalle nur, wer durch die opfernde Pflege barmherziger Schwestern
beizeiten das Himmelslicht erblickt, denn selig sind, die da geistig arm sind,
insbesondere wenn sich ihr sterblicher Leib ohne Widerstand ins Unvermeidliche
fügt.

    Dortselbst fanden wir inmitten sabbernder und wimmernder
Kreaturen das Kind in Banden um Hand- und Fußgelenke und wund in der Nässe
seiner Notdurft, doch gleichwohl begrüßte es uns freudigen Herzens und reiner
Seele, denn es schrie nicht und biss nicht, was ein wahres Wunder ist, sondern
ließ sich losmachen und warf sich, als hätte es uns erwartet, sogleich in die
kräftigen Arme von Bruder Franziskus, der es auf selbigen hinaus aus der Hölle
trug und hin zu seiner lieben Amme, die wiederum vor den Pforten der Stadt auf
uns wartete und es sogleich unter ihre Reifröcke nahm.

     
    Ein weiterer sonniger Tag im Jahr des Herrn 1756 zwischen Trinitatis und Mariä Himmelfahrt

    Hat nicht unser Herr Jesus sein Brot wie auch
seinen Aufenthalt mit Zöllnern und Sündern geteilt? Ebenso mag man es
verstehen, dass Bruder Franziskus und ich uns nun zu Schauspielern und Zigeunern
gesellen, um sie in der tätigen Liebe Gottes zu unterweisen und ihnen
beizustehen in ihrem kärglichen Alltag, denn sie erquicken sich gern an unseren
frommen Sprüchen.

    Es mag eine Binsenweisheit sein, wie sehr Kleider einem
Menschen Gestalt geben, weil wir nur nackend alle gleich sind, wie die Philosophen
heute sagen, und auch wenn mancher schöner als andere sein mag, edler ist er darum
nicht. Erst ein gutes Tuch lässt Stand und Ansehen erkennen, und so mag es
nicht erstaunen, dass man einem Bauern oder Kaufmann das Tragen von Gewändern
eines höheren Standes, etwa aus Samt oder Seide, verwehren will, gar als Betrug
wertet und bestraft, wenngleich doch manch ein reicher Bauer oder Kaufmann sich
sehr wohl einen Samtrock leisten kann. So kommt es, dass auch ein Schauspieler
sich am Rande des Gesetzes
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