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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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zu meinen
Lebzeiten.

    Das Volk meiner Heimat wie alles Volk, das des Weges kam,
hat mich dafür geliebt. Und unser Herrgott hat mich nicht dafür gestraft. Viele
Dezennien, ein ganzes Menschenleben lang ließ er mich wirken.

    So hat das Volk mich weit mehr verehrt, als es den frommen
Herren, die in ihren Ornaten auf Lateinisch predigten, recht war. Mehr hat es
mich geliebt, als dass es meinen Tod jemals still ertragen hätte, wäre ich ihm
nicht erhalten geblieben. Als Heiligkeit. Als heilige Irmgard von Aspel, von
Süchteln, von Rees, von Köln … je nachdem, wie die liebe Mutter Kirche es
während der letzten sechshundert Jahre hat festschreiben wollen. Sie hat mir an
einem stillen Ort bei Süchteln ein Brünnlein geweiht und eine Kapelle darüber
errichtet, damit das Volk einen Ort hat, zu dem es seine Verehrung hintragen
kann. Damit ein jeder einen Schluck aus dem Brünnlein nehmen kann und alsbald
weiterzieht.

    Mit einem Brünnlein indes ist den wenigsten Menschen
geholfen. So habe ich heute mehr denn je zu tun. Denn viele, die des Weges
kommen, hungern und dürsten, wenn nicht nach Brot und fetter Suppe, dann nach
Güte und Freundlichkeit.

    Und alle, ja alle, die sie am niederen Rhein leben oder
auch zum vorübergehenden Aufenthalte hier sind, bedürfen der Fürsorge. Der eine
weniger, der andere mehr. Der eine an seinem Leib, der andere tief in seiner
Seele.

    Auch mein lieber Giselher, der dort auf seinem Rappen vor
mir flieht, ist schwer verwundet. Er missachtet das Stechen in seinem Fuß,
welcher nicht heilen wird, solange ihm die notwendige Ruhe und Pflege fehlen.
Noch mehr missachtet er die Schmach, von seinem König an den Niederrhein
geschickt worden zu sein. In derber Gesellschaft und wenig honoriger Mission. Taugt
einer was, soll er in Berlin eingesetzt werden, taugt einer nichts, soll er
nach Kleve. So hat es sein König vor Jahren verfügt. Und alle rund um Berlin
und Potsdam haben es gehört.

    Der junge Kadettenschüler Giselher von Wolzogen hat es
seinerzeit mit Neugier vernommen, ohne zu ahnen, dass es ihn jemals treffen
könnte. Nun hält er die Demütigung vor sich selbst geheim, um nicht daran zu
verzweifeln.

    Aber ach, sein König! Der muss nicht wirklich herreisen,
damit ich ihn erkenne. Welch eine Wunde, in früher Jugend seinen besten Freund
den Tod erleiden zu sehen! Einen elendigen und schmerzvollen Tod zudem. Einen
ungerechten Tod als Strafe für die eigene Verfehlung. Solche Wunde heilt nie! Und
so trägt Friedrich II. den Niederrheinern bis heute nach, dass eine übereifrige
Administration in Kleve seinen Freund und ihn an den unbarmherzigen Vater ausgeliefert
hat.

    Mein lieber Giselher weiß all das. Weiß auch, dass die
paar Wagenladungen voll Kartoffeln, die er hierher zu begleiten hatte, nur ein
billiges Pfand sind. Eine scheinbare Zuwendung, die die Gleichgültigkeit
notdürftig verdecken soll. Denn Friedrich II., den sie bald den Großen nennen werden, wird zur Verteidigung von Kleve und Geldern, von Wesel, von
Emmerich, Rees und Isselburg keinen Finger rühren. Er wird dem bloßen Kalkül
folgen und all seine Truppen gegen Österreich und Russland im Osten und Süden
seines Reichs zusammenziehen. Den Niederrhein aber wird er dem Franzosenkönig
zum Fraß vorwerfen. Damit dieser Ruhe gibt. Aus dem Krieg aussteigt. Sich
wieder seinem Pomp und seiner Pompadour zuwendet und ihn, Friedrich den Großen,
gewähren und schließlich siegen lässt.

    So sieht mein lieber Giselher schon die französischen
Heere ungehindert am Horizont heraufziehen. Sieht sie als schillernde Mauer von
Südwest heranrücken. Die senfgelben Lilien auf ihren weißen Fahnen glimmen wie
Wolfsaugen durch die Nebelschwaden. Mit Pfeifen und Trommeln, mit Fackeln und
Waffengeklirr werden sie das Volk gefügig machen. Und das Volk wird sich nicht
wehren. Weil es sich noch nie gewehrt hat. Warum auch? Besatzer gleichen einander
von jeher, wie eine Prise Schießpulver der anderen gleicht. Und der Adel und
der Klerus werden sich die Hände reiben, wenn sie den gottlosen Aufklärer in
Berlin los sind. Werden den eitlen, sauffreudigen Franzosenkönig nur zu gern
mit den geforderten Steuern bedienen, die am Ende ja doch das Volk wird
einlösen müssen.

    Und so empört sich die Seele meines lieben Giselhers so
sehr, dass er trotz Sturm und Hagel sein armes Pferd querfeldein treibt, es
schindet, bis es keucht und seine Augen blutunterlaufen aus den Höhlen treten.
Aus den stampfenden Hufen wirbeln Brocken von
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