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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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hassgetriebener Menschen bisweilen bemächtigt,
zu meinen Lebzeiten wie auch heute. Hat mit ihrer Hilfe die Heiden bekehrt, die
Handelswege frei gemacht und ihren Einfluss gemehrt.

    Die blutrünstige Meute wird die Spur des Zuges bis an den
Rhein verfolgen. Wird meinen lieben Giselher bei Wesel durch den Morgennebel
irren sehen, denn er hat sich noch in der Nacht in den Kleidern eines
Handelsmanns aufgemacht, um Lisbeth und Willem zu finden, bevor die Dragoner es
tun. Warnen will er sie. Vielleicht mitreisen will er mit ihnen. Weg will er
jedenfalls. Weg vom Niederrhein, weg von seinem König. Ja, mein lieber Giselher
ist manchmal selbstsüchtig und feige, er ist nicht unbedingt getreu, aber doch
ein guter Mensch und ganz nach meinem Herzen.

    Die Meute wird sich nicht die Mühe machen, ihn bis in die
Auen zu verfolgen und einzufangen. Sie wird zielen und schießen. Denn sie hat
die Weisung, auf alles zu schießen, was weiße Haare hat und hinkt.

    Ich werde hineilen zu meinem Giselher, werde ihm die erstaunten
Augen schließen und ihn mit mir nehmen in mein Himmelreich. Dort werde ich ihm
die Welt erklären, denn er hat sie von allen am wenigsten verstanden.

    Meinen lieben Willem indes, der sein weißes Haar unter
einem Hut verborgen hält und vor lauter Seelenschmerz vergisst zu humpeln, den
wird die Meute nicht finden. Er wird sich in den Sümpfen entlang des östlichen
Rheinufers verirren, erst nach vielen Tagen heim nach Hommersum gelangen, wenn
die französischen Truppen den Kreis Kleve schon besetzt und die Preußen
vertrieben haben. Mein Willem wird seine Mühle weiterführen. Wird sich neue Mühlknappen
als Hilfe zuweisen lassen, wird dem Emil und dem Schmied die Freundschaft
kündigen, den Frauen aus dem Weg gehen. Kaum fünfzig Jahre alt wird er sich in
einen grämigen Hagestolz verwandelt haben. In einer klaren kalten Winternacht
wird er am Fisselfieber sterben. Und dabei an Lisbeth denken. Wie jede Nacht.

     
    Meine liebe Lisbeth! Dort drüben in der Wagenburg
hinter Rees wähnt sie sich, als Zigeunerin verkleidet, in Sicherheit. Sie packt
den Kindern ihr Bündel, lässt sie mit dem Jost nach Isselburg ziehen, den
Spielleuten hinterher, um ein Stück über das Dornröschen aufzuführen. Mit
unserem Jost als böser keltischer Fee, den Kindern als Triangelspielern, dem
Wölfken als Dressurnummer. Die Dragoner werden die ungestalte blonde Frau, die
da mit Kindern, Hund und Handkarren unterwegs ist, wohl sehen, aber nicht
erkennen.

     
    Reise mit ihnen, flüstere ich Lisbeth zu. Reise fort, dann wirst du vielleicht überleben.

    Doch wie so oft in ihrem Leben handelt sie nach dem eigenen
Kopf, will zusammen mit den Zigeunern in der Wagenburg bleiben, um Bärlauch zu
sammeln, zu säubern, zu schneiden, zu trocknen … Bis morgen, ihr Lieben, ruft sie und umarmt sie alle, freut sich, dass sich das Hannken von ihrer
Schürze gelöst hat, mutig in die Welt hinausgeht – wenn auch nur beim Fränzken
an der Hand.

    Bis morgen, bis morgen, rufen sie. Winken. Lachen.
Ahnen nicht, was kommt.

     
    Die Dragoner werden das Lager erreichen, kaum dass
die Sonne über den Zenit hinaus ist. Sie werden ihre Hunde in den Wagenring
hetzen, werden ihre Peitschen schwingen, mit ihren Gewehren in die Luft
schießen, werden mit ihren Bajonetten blindlings in die Planen stechen.

    Alle raus!, wird einer mit Namen Bopp brüllen, den
die Dragoner zu ihrem Anführer bestimmt haben.

    Wer mit erhobenen Händen und ohne Waffen heraustritt,
dem geschieht nichts, so wird er versprechen.

    Da wird einer nach dem anderen heraustreten, die jungen
Frauen und Männer mit ihren Kindern auf dem Arm, die Alten und Gebrechlichen.
Selbst die Kranken wird man heraustragen und stützen, dass sie nicht hinfallen.
Alle werden hervortreten und sich nicht wehren. Nicht weil sie an das Gute im
Menschen glauben. Sondern weil sie an ein gegebenes Wort glauben. Alle werden
heraustreten außer Lisbeth.

    Die Dragoner werden sich sogleich im Kreis aufstellen,
die Schar der Zigeuner einkesseln und ihre Bajonette in die Erde rammen, als
wollten sie Gericht halten.

    Wer von euch ist Lisbeth Ochs aus Hassum? So wird
der Bopp fragen.

    Und alle Köpfe werden sinken und alle Blicke werden sich
fest auf den Erdboden richten.

    Wir sind hier, um die Hure Lisbeth Ochs festzunehmen.
Wenn ihr sie uns ausliefert, wird euch nichts geschehen. Wenn ihr sie aber
nicht ausliefert, werden eure Wagen in Flammen aufgehen und eure Söhne werden
sterben. So wird der Bopp
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