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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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Wegbiegung verschluckt. Drückt die Hände vor den Mund, um nicht
laut zu weinen. Ich schicke ihr zum Trost das Hannken vorbei, das einen
Marienkäfer mit acht Punkten verfolgt und dazu jubelt vor lauter Lebensfreude.
Lisbeth bückt sich, ohne zu zögern, schließt das Hannken in ihre Arme.

     
    Weit drüben in Kleve reitet unterdessen mein
lieber Giselher, vom Regen durchweicht, doch ansonsten wohlbehalten auf das
Rathaus zu. Sieht das Volk in seinem Alltagstrott. Die Preußenfähnlein sind
eingeholt, der Blumenschmuck verschwunden. Die Bauern ziehen mit ihren Ochsen
und Eseln auf den Marktplatz, kommen mit ihren Karren und Kiepen voller Kraut,
Rüben, Bohnen, allem außer Kartoffeln herbei. Und sie feilschen, schwatzen,
lachen, erzählen sich hinter kaum vorgehaltener Hand die neuesten Fritzenwitze.
Sehen nicht, wie mein lieber Giselher, schon die Schatten französischer Späher
wie Kobolde unter den Treppen, in den Brunnen, hinter den Büschen und Zäunen
hocken.

    Auch mein armer Major mit Namen Heribert Kreutzer sieht
sie nicht, ist fortwährend am Hadern. Die Hure und der Krüppel, so wurde ihm
überbracht, haben sich einer Gemeinschaft von Zigeunern, Tagedieben und
Hochstaplern angeschlossen, sind mit ihnen auf und davon. Doch weit können sie nicht
sein. So sagt er. Er will morgen in aller Frühe seine besten Dragoner
losschicken und sie suchen lassen. Mit Hunden. Dem Aufrührer sollen sie einen
kurzen Prozess machen. Die Hure will er lebend.

    Auch dem gutherzigsten Menschen wird es schwerfallen,
diesem Wüterich ein wenig Liebe entgegenzubringen. Doch ich will mich um ihn
mühen, denn auch er ist verletzt. Tief verletzt. Hat er doch den Preußenkönigen
stets treu gedient, dabei sein Leben riskiert. Nicht erst an den Fronten Schlesiens,
sondern schon lang zuvor auf den Kasernenhöfen des alten Soldatenkönigs, wo man
ihm sein grobes Muster in die Seele brannte. Musste der junge Heribert doch mit
ansehen, wie manche Schwachbrüstigen und Zauderer, wenn sie wie er bürgerlichen
Standes waren, dem täglichen Spießrutenlauf kaum entkamen. Und so hielt er
durch, überstand auch die Abende im Tabakkollegium, wo die Luft so dick war,
dass man fürchtete zu ersticken. Und die Saufgelage, wo man Gefahr lief, aus
seinem Rausch nicht zu erwachen. So hat mein armer Heribert schon vieles
ertragen im Leben, um der launigen Königsfamilie nahe zu sein. Immer in der Hoffnung,
dass er trotz einfacher Herkunft einmal, mit Reichtum und Ehre versehen, seinen
Ruhestand genießen würde. Der Dank des Hauses Brandenburg ist ausgeblieben.
Friedrich II. erträgt ihn nicht einmal in seiner Nähe, hat ihn nach Kleve
versetzt bei schmalem Salär. Und jeder in Berlin weiß, was das heißt. Nun will
auch das adelige Weib, das er mit Mühen errang, nicht mehr die seine sein.
Seine Söhne meiden ihn. Die ganze dünkelhafte Familie drängt auf Scheidung.

    So glaubt er, sich nehmen zu dürfen, was ihm das Leben
versagt hat: Geld, Bewunderung, Liebe. Fordert es von denen ein, über die er
die Macht hat. Und schert sich nicht um deren Angst, deren Leid und Entsetzen.

    Halt ein, flüstere ich, lass Lisbeth und den
Müller ziehen! Du hast dein Auskommen, kannst hier am Niederrhein leicht an
Ansehen gewinnen. Werde ein Freund der Menschen. So wirst du bald ein Weib
finden, das dich liebt und dir eine gute Frau ist.

    Doch er hört mich nicht. Hört mich nie. Das Gute im
Menschen ist ihm ein bloßes Märchen.

    Bald wird er trotz seines Alters dem erneuten Ruf seines
Königs folgen, wird im dritten Schlesischen Krieg den Heldentod sterben. Das
Haus Brandenburg wird ihn posthum in den Adelsstand erheben, sodass ihm seine
Witwe und seine Söhne einen pompösen Grabstein setzen und voll Stolz an ihn
zurückdenken können.

    Ja, so wird er immerhin nicht enden wie seine jämmerlichen
Dragoner, die mit ihren leeren Hirnen und Herzen umherstreunen, plündern und
morden aus purer Lust. Haben alle Wärme und Güte in sich erstickt. Warum? Waren
doch allesamt einmal freundliche Neugeborene, die jeden dargebotenen Finger
sogleich umklammerten, die jedes menschliche Antlitz anlächelten, wenn es sich
über ihre Wiege beugte, die glückselig Antwort plapperten, wenn eine Stimme
gütig zu ihnen sprach.

    Der Teufel habe sich dieser armen Wesen bemächtigt, so
erklärt es die liebe Mutter Kirche. Sie möge mir den Einwand verzeihen, doch
nicht allein der Teufel greift sie sich, wo er ihrer habhaft wird. Auch die
liebe Mutter Kirche hat sich solch roher,
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