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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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wähnt, wenn er sich in eine alte Soldatenuniform
hüllt, wie unser frommer weißhaariger Lautenspieler, der Onkel meines lieben
Franziskus, es tut, mag selbiges Teil auch so fadenscheinig sein, dass man
darunter das Brusthaar wachsen sieht, und so speckig, dass man einen Krapfen
daraus backen könnte!

    Gleichwohl macht solche Maskerade frei, denn nur wer sich
recht maskieren darf, legt die starren Masken ab, die seine Lebensumstände ihm
aufgedrückt haben, und mancher wird ein anderer Mensch, wenn auch vielleicht
nur eine Zeit lang. Das zeigt sich besonders bei der Amme, die wieder guten
Muts ist, seit ich ihr das Haar gefärbt hab mit einem Sud aus dem Morgenland,
welcher dieses schwarz macht wie Ebenholz, und anstelle ihrer Witwenkluft trägt
sie die bunten Kleider und den Schmuck der Zigeunerinnen und tritt nun gar mit
ihren Tarotkarten als Wahrsagerin vor das Publikum, sodass sie die Einkünfte
der Schauspieler leichtens bereichern kann.

     
    Ein gar trüber Tag im Jahr des Herrn 1756

    Wir müssen abreisen! Alles, was uns Hoffnung hätte
geben können, einstweilen in diesem herrlichen Landstrich zu bleiben, war der
Besuch unseres Königs, doch der ist nun abgesagt. Friedrich II. lässt
seine Untertanen am Niederrhein herzlich grüßen, so schallt es aus allen Amtsstuben,
doch er könne nicht wie geplant seinen Besuch abstatten, denn es sei Krieg in
Schlesien, wohin der König in eigener Person eilen müsse, und wenngleich alle
Welt nun beeindruckt ist von einem König, welcher sich nicht hinter den Ofen
hockt, während seine Soldaten ihr Leben lassen, so sind doch die Niederrheiner
zutiefst enttäuscht, denn die zahllosen Petitionen, die fertig geschrieben für
den Tag des königlichen Zugs durch die Gassen aufbewahrt wurden und so manchem
den Lebensmut wiedergaben, sind nurmehr vergeudetes Papier und müssen rasch ins
Feuer, wenn sie nicht einem Amtmann in die Finger geraten und einen so auf
direktem Weg in den Knast bringen sollen.

     
    Der nasseste Tag des Herrn im Jahre 1756

    Trauer hat sich auf mein Herz gelegt, denn der
Lautenspieler wird fürderhin nicht mehr bei uns sein. Er will in seine Heimat
zurückreiten, wo er ein besseres Auskommen hat, wie er sagt, und doch scheint
mir, ist der Grund ein anderer, denn es ist zwischen ihm und der Amme eine
Fremdheit entstanden, die mir längst aufgefallen ist. Freilich hab ich dies nicht
ernst genommen, denn unter Liebesleuten ist mancherlei Turbulenz, solange die
Liebe frisch ist, nun aber offenbart sich ein tiefer Riss zwischen beiden, da
mein lieber Franziskus, welcher als Friedensengel vermitteln wollt, sich von
der Amme nur ein Achselzucken und vom Lautenspieler einen Anschiss geholt hat
und nun beleidigt ist. Er will seinen Onkel gern verlassen, sagt er, will mit
der Amme weiterreisen, auch um des Kindes willen. Der Lautenspieler aber hat
beschlossen, sobald wir den Fluss und die Grenze passiert haben, auf seinem
Esel zurückzureiten und uns alsbald zu vergessen, doch als er so sprach, heulte
er Rotz und Wasser, so wie auch mein lieber Franziskus und ich nun Rotz und
Wasser heulen, und so werde ich dieses nasse Papier alsbald dem Fluss übergeben
und der Himmel möge entscheiden, ob es jemals gefunden wird.

29     Irmgard von
Aspel

     
    Warte! Will dir den Fuß salben! Dir die
verschreckte Seele streicheln! Meine Stimme hallt im Wolkengebirge über den
Sümpfen wider. Doch mein lieber junger Giselher verschließt seine Ohren. Jagt
auf seinem Rappen davon. Flieht vor meinem Bildnis, obgleich es doch nur das
Bildnis seiner eigenen Warmherzigkeit, seiner ziellosen Liebe und Freundlichkeit
ist.

    Was bin ich, Grafentochter Irmgard von Aspel, anderes als
ein ruhmreicher Abglanz des Guten im Menschen!

    Meine Gebeine liegen im Dom zu Köln. Und auch meinen
Geist hat sich die liebe Mutter Kirche einverleibt, als sie mich heiligsprach.

    Sie musste es tun. Denn mein Wirken zu meinen Lebzeiten
und darüber hinaus hatte umstürzlerische Kraft. Und Umstürzlerisches versteckt
unsere liebe Mutter Kirche vornehmlich unter Freskengemälden, hinter mächtigen
Orgelpfeifen und in Schwaden von Weihrauch.

    Habe ich doch alles Volk versorgt, das verletzt war, das
hungerte und fror, auch die Fremden, die Armen, die Krüppel, die Gaukler, die
Huren, die Sünder. Wie unser Herr Jesus es tat. Aber auch jene, die an Odin,
Wotan und Freya glaubten und nicht an unseren Herrgott. Ja, selbst die Heiden
und Ungläubigen habe ich genährt und gesalbt. Und es gab ihrer viele
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