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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad
Autoren: Andrea Schacht
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und wir waren in den drei Jahren, die wir auf der Welt waren, immer in Kontakt geblieben.
    Eine Weile setzte ich mich ans Ufer und sah dem Mondlicht zu, das auf den Wellen tanzte. Ein beruhigender Anblick, und die Schatten auf meinem Herz lösten sich ein wenig darin auf. Es war mein zweiter Wurf: Im vergangenen Jahr hatte ich zwei Kinder geboren und beide durchgebracht. Aber da war die Mäuselage auch noch besser gewesen. Oder vielleicht war das Lager tiefer im Wald auch geschickter gewählt. Dumm war es vermutlich von mir, dass ich der Versuchung erlegen war, Menschenfutter zu naschen. Manchmal überkam mich so ein Heißhunger nach Sahne und Käse und Fleisch von großen Tieren. Weshalb ich mich in der Nähe des Gasthauses, das sie Zur goldenen Traube nannten, eingerichtet hatte. Ja, dumm, denn was hatte es mir außer Tritten eingebracht?
    Andererseits – jetzt hatte ich Altea kennengelernt. Eine feinsinnige Frau mit tiefem Katzenverständnis. Und einer weit größeren Trauer in ihrer Seele, als sie zeigen mochte. Es drängte mich zu ihr. Und ich merkte schon, wie meine Grundsätze anfingen, fadenscheinig zu werden.
    Ich wurde gebraucht.
    Meine Kinder würden mich bald verlassen. Sie hatten die Grundbegriffe des Jagens und Klauens schon gelernt, übten sich untereinander im Rangeln und Kämpfen, im Putzen und Beschnurren. Noch einige Tage reichhaltige Nahrung, und sie würden ihre Ausflüge weiter und weiter ausdehnen.
    Mich brauchten sie dann nicht mehr.
    Altea hingegen schon. Und Menschen, die einsehen, dass sie eine Katze brauchen, geben gewöhnlich gute Bedienstete ab. Dieser dicke Kater, der Bouchon, schien das zumindest auch bemerkt zu haben.
    Seltsam, dass ich gerade an ihn denken musste, denn die Schritte, die leise durch die Nacht erklangen, gehörten zu dem Mann, der ihn gesucht hatte. Der Neffe Vincent.
    Noch ein Mensch, der die Dunkelheit nicht scheute.
    Doch so zielstrebig wie die duftende Bette eilte er nicht den Weg entlang. Eher bummelte er, schlenderte und sog dabei an einer dünnen Zigarre. Der Rauch roch nicht unangenehm, wie brennende Kräuter, würzig, ein wenig bitter. Er mischte sich nett mit dem modrigen Wassergeruch des Lahnufers.
    Als er vorüber war, beschloss ich, zurück in meine neue Schlafstelle zu ziehen. Nicht ohne nach zufälligem Futter Ausschau zu halten. Am Straßenrand lag ein angebissener Apfel, der mich kaltließ, ein Kanten Brot mit nur ein klein wenig Speck darauf lohnte auch nicht der Mühe, und als ich durch den Garten wanderte, fand ich noch ein Stück Kuchen. Manchmal ist Creme oder Sahne daran, aber das hier war trocken. Und es roch so seltsam bittersüß. Ich beschnüffelte es gründlich. Ja, das war genau der Geruch, den mein totes Kleines an sich gehabt hatte. Vermutlich war das arme Wurm so hungrig gewesen, dass es davon gefressen hatte. Und noch vermutlicher war das Zeug giftig für unsereins.
    Ich scharrte heftig eine Kuhle in den Boden und vergrub das gefährliche Kuchenstück. Nicht, dass sich noch ein anderes Tier daran vergiftete.
    Höchst gewissenhaft überprüfte ich dann meine drei schlummernden Kinder, aber die rochen allesamt sauber und gesund, und so legte ich mich zu ihnen und schlummerte in der atmenden Wärme mit ihnen ein.

Morgenstund hat Tod im Mund
    Die Morgendämmerung brachte mir die Regenwürmer, die Kinder vergnügten sich damit. Ich mag die Dinger nicht so, ich hoffte auf ein spätes Frühstück und begab mich auf die Morgenrunde. Es ging bereits geschäftig zu. Die Brunnentrinker versammelten sich in dem großen Gebäude gegenüber, um von dem heilsamen Wasser zu nippen. Sie machten ein ungeheures Aufhebens darum. Die Frauen hatte sich bereits wieder aufgeputzt, die Männer sich steif und stramm gemacht in ihren Anzügen und Zylindern und aufgewirbelten Schnurrbärten. Was für ein Blödsinn, nicht wahr? Nie würde eine Katze auf die Idee kommen, ihre Schnurrhaare zusammenzudrehen und bis zu den Augen hochzuziehen.
    Ich fand ein sehr schönes sonniges Plätzchen in der Nähe des Eingangs der Kurhalle und betrachtete die Gäste, die sich anschickten, aus den Gläsern, die ihnen die Brunnenmädchen reichten, kleine Schlucke zu nehmen, dabei umeinanderzuwandeln und sich gegenseitig ihr Leid zu klagen. Das musste eine so dermaßen befriedigende Beschäftigung sein, dass sie mich überhaupt nicht wahrnahmen.
    Es ging also sehr gesittet zu, und ich döste so vor mich hin, als plötzlich ein schrilles Kreischen ertönte. Mein erster Impuls war:
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