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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad
Autoren: Andrea Schacht
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ebenfalls zufriedene Maunzer hören ließen.

Verdauungswandeln
    Lange währte die Ruhe der Kinder nicht – die Verdauung verlangte ihr Recht, und danach musste ich meinem Nachwuchs wieder eine Lektion im Jagen erteilen. Wir nahmen diesmal das Flugwild durch. Es brummelten einige dicke Käfer durch den Garten. Ich hieß sie danach haschen, machte sie auf die Unverträglichkeit von Wespen, Hornissen und Bienen aufmerksam, zeigte ihnen eine Spinnwebe samt Bewohnerin und ließ sie zu guter Letzt mit meinem Schwanz spielen. Das erfüllte sie immer mit Kichern.
    Mich auch.
    Danach fielen sie aber eins nach dem anderen, wo sie gerade standen, um und schliefen ein. Glückliche Kinderzeit.
    Ich leckte noch die allerletzten Reste aus der blauen Schüssel und beschloss dann nachzusehen, welche Folgen das Auffinden des toten Mannes gezeitigt hatte.
    Nicht sehr viele, wie es schien, man wandelte wie üblich durch den Park. Auch den Menschen war Verdauung wichtig, obwohl sie so gar keine sichtbaren Scharrstellen hatten. Der einzige Unterschied gegenüber den sonstigen Vormittagen war, dass sie sich hin und wieder in Grüppchen zusammenrotteten und über den Vorfall Vermutungen anstellten. Mich interessierte das nicht sonderlich. Ich wusste ja, woran der Mann gestorben war.
    Unter einer Rosenlaube mit Bank darin setzte ich mich nieder und ließ die mondäne Welt an mir vorüberziehen. Gestärkte Unterröcke, gerüschte Säume, staubige Schleppen, hier und da ein zart bestrumpfter Knöchel unter neckisch gehobenen Volants, spiegelnde Stiefel, Gamaschen, scharf gebügelte Hosenbeine zogen an mir vorbei. Auch ein paar Hunde, ebenfalls mit Schleifchen und Mäntelchen aufgeputzt, zerrten an ihren Leinen und kläfften nervös, wenn sie meine Witterung aufnahmen.
    Dann aber bemerkte ich ihn.
    Wirklich, da kam Bouchon neben einem älteren Herrn angetrottet. Sein Mensch, wie Bouchon, rundlich, grauhaarig und im grauen Anzug, wandelte gemächlich über den Kiesweg und hatte ein wachsames Auge auf den Kater.
    Ich machte mich bemerkbar.
    Bouchon hielt seine Schritte ein und setzte sich. Sein Mensch blieb ebenfalls stehen.
    » Guten Morgen, Sina!«, brummelte Bouchon. » Darf ich dir meinen Menschen vorstellen? Das ist Dr. Dorotheus Natalis, Freiherr von Poncet. Er ist ganz harmlos.«
    Manche Menschen haben auch wuchtige und wichtige Namen, genau wie wir Katzen. Aber Bouchon hatte recht, der Mann schien freundlich zu sein. Er betrachtete mich mit einem Lächeln und gesenkten Lidern. Ihm war also bekannt, dass Anstarren eine unhöfliche Geste war. Ich erlaubte Bouchon, meine Nase zu berühren, und zwinkerte seinem Menschen zu.
    » Du hast eine Freundin gefunden, Bouchon?«
    Der Kater rieb seinen Kopf an dessen Hosenbein.
    » Aha, das war also der Grund, warum du unbedingt mit nach draußen wolltest.«
    Er beugte sich nieder und reichte mir die Hand, wie es sich gehört, mit den Fingern schlaff nach unten. Ich machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu – es ist immer gut, wachsam zu bleiben, und schnupperte kurz daran.
    Mich packte blankes Entsetzen!
    Der Geruch! Schon wieder dieser bittersüße Geruch!
    Ich hüpfte zurück und prallte an den dicken Bouchon.
    » Bouchon, du musst auf deinen Freiherrn aufpassen. Der hat was gefressen, das giftig für ihn ist!«
    » Meinst du?«
    Ängstliche Goldaugen sahen mich an.
    » Ja, der riecht so nach etwas Bittersüßem. Daran ist mein Kind gestorben.«
    Bouchon schnüffelte. Gründlich und mit bebenden Schnurrhaaren. Dann meinte er: » Nein, alles ganz normal. Er hat nach dem Brunnengang Kaffee getrunken, ein Hörnchen mit Marmelade, ein weiches Ei und ein Stück Marzipankuchen gegessen. Und ich hatte Hühnerleber in Sahnesoße.«
    Große Bastet, was für ein Leben …
    » Aber irgendwas davon riecht bittersüß«, beharrte ich.
    » Sicher. Süß war das Hörnchen, fruchtig die Erdbeermarmelade und der Marzipankuchen – ja, der war süß mit einem Hauch Bitterem darin. Aber er hat den schon oft gegessen, geschadet hat ihm der noch nie.«
    » Seltsam. Dann muss es noch etwas anderes geben, das so riecht. Der Mann heute Morgen …«
    Ich wollte Bouchon gerade von dem Toten und den Pastillen erzählen, als ein aufgebrachter Kläffer sich losgerissen hatte und auf uns zustürmte. Der dicke Stopfen flutschte wie ein Sektkorken zwischen den Röcken und Stiefeln davon, ich sauste das Spalier hoch und fauchte den Hund herzhaft an. Er klemmte den Schwanz ein und winselte.
    » Ach, herrje!«, sagte der
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