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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad
Autoren: Andrea Schacht
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Fliehen!
    Aber dann verstand ich das Geheul.
    » Ein Toter! Ein Toter in der Badewanne!«, zeterte ein rotgesichtiges Weib in feuchter weißer Schürze. Diese Frauen beaufsichtigten die Wasserbäder. Manchen Menschen genügte es ja nicht, das Wasser zu trinken, die zogen sich sogar ganz und gar aus und legten sich in ein Becken voll nassem Wasser. Mich schüttelte es immer bei dem Gedanken. Und wie es schien, bekam es ihnen auch nicht gut.
    Neugier, ach Neugier!
    Ich wollte doch mal sehen, welche Folgen so ein Wannenbad hat.
    Geschickt wuselte ich mich zwischen ausladenden Röcken und glänzenden Stiefeln hindurch und folgte den nassen Spuren, die die Badefrau hinterlassen hatte. Ich war schon einige Male in dem weitläufigen Gebäude gewesen, im letzten Winter, als es draußen so eisig war. Ein wenig kannte ich mich aus. Aber die Räume mit den Badewannen hatte ich noch nie aufgesucht. Verständlich, es war mir zu feucht dort. Aber diesmal überwand ich mich, und siehe da, in einer dieser mit Fliesen ausgelegten Wannen lag ein nackter Mann – mausetot.
    Ein Mann mit dunklem Teint, jetzt aber rosig angehaucht, schwarzen Haaren, die an den Schläfen einen Hauch von Silber aufwiesen. Gestern noch hatte er im Park seine scheußlich schmeckenden Pastillen der Gräfin angeboten. Gut, dass sie die ausgespuckt hatte. Was scheußlich schmeckt, ist oft giftig.
    Jemand brüllte nach einem Arzt, eine weibliche Stimme überschlug sich hysterisch, wurde weggedrängt, eine andere forderte herrisch Erklärungen.
    Ich machte mich unsichtbar, so gut es ging, und sah mich um. Ja, diese Pastillen, die hatte der Mann wohl wieder an sich genommen. Das Döschen mit dem roten und blauen Sternenmuster lag auf dem Rand der Wanne. Ich schlich mich heran, um daran zu schnuppern. Es ist immer gut, wenn man weiß, wie etwas riecht, das schädlich sein kann und dazu führt, dass man nach dem Genuss mausetot ist. Kaum war ich auf den Wannenrand gesprungen, wehte mich wieder der bittersüße Geruch an, den ich schon am Tag zuvor an meinem Kind gerochen hatte.
    Aha!
    Das war also giftig, sogar für Menschen.
    Ich hätte den Inhalt des Döschens gerne weiter untersucht und wollte es gerade mit der Pfote nach unten auf den Boden stupsen, als sich eine Frau in den Raum stahl. Heimlich, das merkte man ihr an, denn sie sah vorsichtig über ihre Schulter, ob sie auch niemand beobachtete. Ich zog mich höchst eilig in eine Ecke zurück, denn das war die heisere Dame, deren spitze Absätze mir Angst machten. Sie warf einen Blick auf den Toten, zischte leise und schnappte sich das Döschen. Es verschwand in den Falten ihres Rockes.
    Seltsam. Sehr seltsam.
    » Was machen Sie hier?«, herrschte ein offizieller Mensch sie an, der durch die Tür gepoltert kam.
    » Ich hörte, es habe einen Unfall gegeben«, antwortete sie heiser. » Ich wollte helfen.«
    » Hier muss ein Arzt helfen. Gehen Sie raus, Madame. Es schickt sich nicht, die Baderäume zu betreten.«
    » Natürlich, Herr Kuraufseher.«
    Sie bewegte sich sehr anmutig auf ihren spitzen Absätzen, das musste ich ihr lassen. Und als der polterige Mann ihr nachschaute, flutschte ich an seinen Stiefeln vorbei ebenfalls aus dem Raum. Was ich wissen wollte, hatte ich erfahren: Was bittersüß riecht, bringt einen um!
    Im Kursaal herrschte ein ungewöhnliches Getümmel, und ich war diesmal ganz dankbar dafür, dass die Menschenfrauen so weite Röcke trugen. In Ansammlung ist das fast so gut wie ein dichtes Gebüsch. Man kann, wenn man geschickt ist, darunterschlüpfen. Aber man muss vorsichtig sein, denn anders als Sträucher und Hecken konnten die Damen auskeilen. Meist verbunden mit einem Schrecklaut namens » Huch!«.
    Mir gelang es, unbeschadet aus dem Gebäude zu kommen, aber fast hätten mich die Räder einer Kutsche erwischt, die mit großer Geschwindigkeit die Straße hinunterkam.
    Mit einem beherzten Sprung rettete ich mich unter die Markise der Pension Germania, und von dort aus nahm ich meinen geheimen Weg in ihren Garten.
    Hier war von der Aufregung noch nichts zu spüren, aber wie ich die Menschen kannte, würde sie bald auch in diesen stillen Garten schwappen.
    Ich suchte meine Kinder auf, um sie zu warnen.
    Und ich fand sie mit runden Bäuchlein in ihrer Blätterkuhle liegen, in der Schüssel neben ihnen noch ein recht ordentlicher Rest Quark.
    Der tat mir gut.
    Altea hatte sich an ihr Versprechen gehalten – wir würden nicht mehr hungern.
    Zufrieden streckte ich mich neben den Kleinen aus, die
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