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Die Spionin im Kurbad

Die Spionin im Kurbad

Titel: Die Spionin im Kurbad
Autoren: Andrea Schacht
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doch so was nicht«, schluchzte die Gräfin.
    » Je nun, Mama, vielleicht kuriert das gute Wasser hier mein Leid. Ich werde morgen den Badearzt aufsuchen und fragen, ob Bäder mir meine Hüfte heilen.«
    » Oh Gott, was bist du zynisch.«
    » Nein, Mama, nur realistisch.«
    Also wirklich einen Tritt abbekommen. Mich hatte auch mal einer an der Hüfte hinten getroffen. Etliche Tage musste ich humpeln, und es hatte widerlich wehgetan.
    Mama streichelte die Hand ihrer Tochter. Das mochte als tröstendes Bürsten durchgehen. Dann erhob sie sich und sagte: » Ich ziehe mich zurück, Altea. Bleib nicht mehr zu lange hier draußen sitzen, die Nachtluft ist ungesund.«
    » Ja, Mama. Ich folge dir gleich. Aber ich habe noch eine Verabredung.«
    Kerzengrade fuhr die Gräfin auf.
    » Mit wem?«
    » Mit einer struppigen weißen Katze. Sie wird uns helfen, die anstößigen Reste unseres Mahls zu entsorgen.«
    » Oh! Mhm – du und Katzen.«
    » Ja, ich und Katzen. Gute Nacht, Mama.«
    Als Mama gegangen war, sah Altea sich um. Ich erlaubte mir, mich bemerkbar zu machen, indem ich in den Lichtfleck trat, den die flackernde Lampe auf die Balustrade warf.
    » Da bist du ja«, sagte Altea, und ihre Augen wurden zu einem Lächeln.
    Ich blinzelte ihr zu.
    Sie reichte mir mit spitzen Fingern ein Stück Hühnerfleisch.
    Ich konnte nicht anders. Es war solch eine Gier in mir. Ich nahm es, ließ es über die Zunge gleiten, und schon war es unten. Wahrscheinlich war der Aufprall in meinem leeren Magen deutlich zu hören, denn sie reichte mir gleich darauf ein zweites Stückchen. Weg damit. Auch das dritte noch. Tat das gut!
    Aber die Pflicht, die Pflicht rief mich.
    Und ich nahm das nächste Stück nur zwischen die Zähne und trabte damit zum Schuppen. Die Kleinen hatten eine gute Nase. Sie waren sofort munter und balgten sich darum.
    Ich zurück. Großer Bettelblick.
    Indes, Altea war bereits aufgestanden und stützte sich auf einen Stock.
    Stock? Das taten doch sonst nur ganz alte Menschen. Hatte ich mich da so getäuscht? Nein, hatte ich nicht. Sie war noch jung.
    » Wem bringst du denn das Futter, Kleine?«
    Ich drehte meine Nase zum Schuppen. Dann sah ich sie wieder an und gab einen kleinen, auffordernden Maunzer von mir. Es wäre leichter, wenn sie das Fleisch zu den Kindern brächte. Und da sie, wie ihre Mama, eine recht verständige Frau zu sein schien, nahm sie auch den Teller in die Hand und humpelte mir nach. Ich verstand – der Tritt hatte ihr wohl die Hüfte ziemlich kaputt gemacht.
    Mit ein paar mütterlichen Lauten beruhigte ich die Kleinen, damit sie sich nicht verkrochen. Aber das war eigentlich gar nicht nötig. Sie waren neugierig und hungrig, und ihre Nasen führten sie zum Futter.
    » Wie niedlich. Das sind deine, nicht wahr, Kätzchen?«
    » Mau!«, sagte ich stolz. Sie kniete nieder und zupfte Fleischreste von den Knochen auf dem Teller. Sie wurden ihr aus den Fingern gerissen. Nur das Vierte rührte sich nicht. Ich setzte mich daneben und beschnüffelte es. Schnurrte es an, bürstete mit der Zunge darüber.
    Und dann würgte sich tiefe Trauer durch meine Kehle. Ein Jammerlaut wurde daraus, eine Klage um ein gestorbenes Kind.
    » Kätzchen«, sagte Altea leise. » Ach, Kätzchen!«
    Ihre Finger glitten sanft über das zarte Pelzchen, und Tränen rannen ihr aus den Augen. Wieder und wieder streichelte sie mein regloses Kind, dann sah sie mich an. » Nicht genug Futter? So mager, wie ihr seid, gibt es nicht genug zu essen für euch. Armes Kleines. Ihr sollt nicht hungern. Solange ich hier bin, werdet ihr nicht mehr hungern. Das verspreche ich. Ich kann kein Leid mehr sehen, Kätzchen.«
    Und nun schmerzte mich nicht nur der Verlust meines Kindes, sondern auch das Mitleid mit ihr. Ich trat zu ihr hin und drückte meinen Kopf an ihre Hand.
    Sie streichelte mich.
    Es gefiel mir.
    Auch wenn salziges Wasser auf meine Nase tropfte.
    » Wie heißt du, kleine Freundin?«
    Nun sind wir Katzen höchst eigen mit unseren Namen. Wir behalten sie gerne für uns. Sie sind wichtig, manche gar heilig. Ich trug einen der großen Namen, der unter meinesgleichen Gewicht hatte. Menschen ging er gewöhnlich nichts an.
    Außer solche Menschen, die in der Lage waren, unsere Eigenart zu verstehen. Und darum sah ich sie an. Mit diesem ganz besonderen Blick, in dem jene, die wissen und lieben, lesen können.
    Sie erwiderte meinen Blick mit ihren feuchten Augen, und ich sah, dass sie verstand.
    » Sina?«
    » Mau.«
    Ich stupste mit meiner Nase
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