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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Gesicht sah nun direkt in das Objektiv. Sie konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte, da es aus der geringen Entfernung eigenartig verzerrt wirkte. Der starre leblose Blick fand keine Richtung, er irrte herum, als gehöre er einem Blinden. Die Gestalt hob die Hände und tastete in der Dunkelheit herum.
    Myriam hörte Simon neben sich lachen. Ihr fiel das Atmen schwer. Sie spürte, wie sie die Luft anhielt.
    Die Angst in diesen Augen, die in die Kamera starrten, würde sie wahrscheinlich nie mehr vergessen. Sie hätte schreien mögen.
    Dann neigte die Gestalt den Kopf erschöpft nach unten, um sich schließlich zur Seite zu drehen. Nun erkannte sie ihn: Paul Olivier. Sein Mund öffnete sich. Er schien zu schreien, doch nichts war zu hören. Dieser stumme Schrei jagte ihr kalte Schauer über den Rücken.
    Noch beängstigender aber war das Lachen, in das Simon erneut ausbrach. Als sähe er sich einen Zeichentrickfilm, einen witzigen Cartoon an, als lese er in einem Comic.
    »Was ist das?«, fragte Myriam.
    Es war das Einzige, was Simon sagte, und es wirkte stolz: »Eine Camera silens. Es war Davids Idee.« Es klang, als spräche er vom Werk eines Genies.
    Ron wandte Myriam das Gesicht zu. Er sah sie fragend an.
    Sie nickte unmerklich und starrte unverwandt auf den Bildschirm, während Ron im Präsidium anrief und um Verstärkung bat.
     
    Als die Spurensicherung und Rons Kollegen eingetroffen waren, glaubte Myriam, nun könne sie loslassen, doch die Entspannung stellte sich nicht ein. Stattdessen saß sie im halbdunklen Zimmer des sechzehnjährigen David Hus und starrte auf den Bildschirm. Myriams Körper war steif vor Fassungslosigkeit. Ihre Hände verkrampften sich immerzu. Pausenlos streckte sie die Finger, um sie sofort wieder zu Fäusten zu ballen. Nur unter großer Anstrengung gelang es ihr, das kalte Entsetzen zu unterdrücken, um die nächsten Schritte zu überlegen. »Noch etwas...«, ihre Zähne schlugen laut aufeinander. »Hannah muß sofort kommen. Ruf sie an!«
    »Beruhige dich«, erwiderte Ron. Seine warme Hand legte sich tröstend auf ihre.
    Wo war David? Was hatte er im Sinn? Wie konnten sie Paul Olivier in seinem Verlies finden?
    Aus Simon war nichts herauszubekommen. Fast schien es, als stünde er unter Schock. Ein Eindruck, den Myriam nicht mit der kalten Ruhe in Verbindung bringen konnte, mit der er vor dem Laptop gesessen hatte, um Paul Olivier zu beobachten. Ja, er hatte die Verzweiflung des Gefangenen genossen. Dessen Haft im Finstern. Die damit verbundene Erniedrigung und die Vernichtung auch der letzten Menschenwürde.
    Nervös fragte Ron den Computerspezialisten der Spurensicherung: »Habt ihr schon etwas?«
    »Wie gesagt«, erwiderte der Beamte und deutete auf den Bildschirm, »ein betonierter Raum, offenbar ohne Fenster. Zumindest ist noch keines ins Bild gekommen. Ich vermute, außerdem eine Metalltür. Vielleicht aus Stahl und ohne Türgriff.«
    Myriam warf Simon einen Blick zu. Er saß stumm auf dem Bett unter der Aufsicht eines Polizisten. Noch weigerte er sich, ihnen zu sagen, wo David sich aufhielt und wo sie Paul Olivier gefangen hielten.
    »Er macht es schon wieder«, murmelte der Kollege von der Spurensicherung.
    »Was?«, fragte Myriam.
    »Er hält sich in bestimmten Abständen die Ohren zu. Wie jetzt. Sehen Sie?« Der Beamte deutete mit dem Kugelschreiber auf den Monitor.
    Myriam erhob sich, um besser sehen zu können. Sie starrte auf Olivier, der nicht ahnte, dass er beobachtet wurde. Es fiel schwer, sich den Bildern zu entziehen. Vielleicht hätte es ihn beruhigt zu wissen, dass sie ihn beobachteten, dass die fieberhafte Suche nach ihm auf Hochtouren lief.
    Er aber lag auf dem kalten Fußboden. In der Haltung eines Fötus.Tatsächlich hielt er die Hände fest auf die Ohren gepresst. Sein Gesicht verzog sich. Schließlich ließ er die Hände fallen, während seine Züge sich entspannten.
    »Irgendwo im Hintergrund muss ein unerträgliches Geräusch zu hören sein, das manchmal aufhört. Sie wissen, man kann Menschen durch Lärm zu Tode foltern. Aber auch durch Stille.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Myriam.
    »Camera silens«, erklärte der Beamte. »Auch Black Box genannt oder finstere Haft. Der Gefangene ist in einer fensterlosen Zelle untergebracht. Ohne Sonnen- oder künstliches Licht. Mit verheerenden Auswirkungen, vor allem, wenn noch eine gespenstische Stille herrscht.«
    »Sie kennen das?«, fragte Myriam.
    »Ja, sicher. Eine dämonische Methode, jemanden zu
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