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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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aus der Furcht, die ich vor Dir habe, zum Teil deshalb, weil zur Begründung dieser Furcht zu viele Einzelheiten gehören, als daß ich sie im Reden halbwegs zusammenhalten könnte. Und wenn ich hier versuche, Dir schriftlich zu antworten, so wird es doch nur sehr unvollständig sein, weil auch im Schreiben die Furcht und ihre Folgen mich Dir gegenüber behindern …
    Myriam las über eine Stunde ohne Unterbrechung. Als sie das Buch am Ende zur Seite legte, hatte David Hus nicht mehr als eine Seite geschrieben, doch mehr brauchte es nicht.
    Das Geständnis
    Wie viele verbrachten ihr Leben damit, sich gegen die Lust zu wehren, es zu beenden, nur weil falsche Versprechen, unerfüllte Hoffnungen sie immer wieder zurück in die absurde Nichtigkeit ihrer menschlichen Existenz trieben wie Vieh.
    Er aber hatte ihnen geholfen. Sich ihrer erbarmt als Einziger.
    Er hatte sie befreit aus dem Kerker ihrer surrealen Albtraumwelten voller falscher Erwartungen.
    Natürlich, zur Ausführung dieser ungeheuren Aufgabe hatte er unendlich viel Kraft benötigt, so viel an Kraft, daß diese nun zu schwinden begann. Aber es wäre unter seinerWürde gewesen, diese schwierige Aufgabe derVollstreckung jemand anderem, dem Gehilfen vielleicht, zu überlassen.
    Wie viele Richter außer ihm gab es, die die Urteile selbst vollstreckten, die sie gefällt hatten?
    Aber für ihn zählte nur das Ziel, nicht der Weg.Was die anderenWeg nannten, war eigentlich Zögern.
    Er hatte es bereits zu Beginn gewußt: Niemand kann aus der Menge heraustreten, ohne gesehen zu werden. Sie hatten ihn erkannt, ohne seine Arbeit zu verstehen, und würden nie begreifen:Wahre Freiheit bestand darin, nur die Gesetze anzuerkennen, die in einem selbst lagen. So hatte er es gelernt, nach diesem Prinzip handelte er und bereute es nicht.
    So war es am Anfang wie auch am Ende.
    Das hohe Gericht der eigenen Existenz konnte nur einer sein - man selbst!

Prag, Beneditskagasse
    Mittwoch, 30. Mai

44
    Es regnete die ganze Nacht über bis in die späten Morgenstunden. Das Wasser stürzte geradezu vom Himmel. Die Kanalisation war zu schwach, um mit der Wassermenge fertig zu werden, sodass sich die Kanaldeckel hoben und die Straßen überschwemmt wurden.
    Filip Cerny beobachtete seinen Sohn, wie er in zu großen Gummistiefeln über die riesigen Pfützen sprang. Sein Gesicht war dabei nicht fröhlich, eher nachdenklich, als vollführe er ein Experiment und empfände kein kindliches Vergnügen. Er hatte zudem die ganze Zeit kein Wort gesprochen. Als hätte er sich in sich selbst versteckt und warte nun ab. Bis der Regen vorbei war, bis seine Mutter wieder zurückkehrte, die vor zwei Tagen die Familie verlassen hatte.
    Filip hatte noch keine Zeit gehabt, wirklich darüber nachzudenken. Die Ahnung, Dora würde ihn verlassen, war die ganze Zeit allgegenwärtig gewesen. Er war froh, als es endlich vorbei war.
    Nur mit einem hatte er nicht gerechnet. Dora hatte Pavel bei ihm gelassen. Das stürzte nicht nur den Jungen in einen Zustand der Verwirrung. Es überraschte auch ihn. Er empfand eine Mischung aus Trauer, Panik und... Triumph. Er war der Verlassene, er war allein erziehender Vater, aber - er war nicht schuld. Sie war nicht die liebende Mutter, die ihren Sohn mit sich nimmt. Nein.
    Dora war eine Rabenmutter. Selbstsüchtig. Gleichgültig. Berechnend. Und nun blieb ihm die Chance, seinem Sohn zu beweisen, er könne sich auf seinen Vater verlassen, auf ihn bauen.
    Er warf Pavel einen Blick zu. Nichts in diesem Kindergesicht ließ erkennen, was in ihm vorging.Vielmehr lag ein Ausdruck von Abwesenheit, ja, fast Resignation in ihm. Dora musste irgendeine Art von Gehirnwäsche betrieben haben, so eine Art Teufelsaustreibung. Sie hatte ihm jegliches Gefühl für seinen Vater abgewöhnt. Ihn als Loser hingestellt, als Egoisten, als Macho. Sie hatte ihm diese Worte vor seinem Sohn ins Gesicht geschleudert, die Verzweifelte gemimt, aber Pavel dann bei ihm, dem Loser, zurückgelassen.
    »Wir hätten unsere Badesachen mitnehmen sollen«, sagte er.
    Pavel schaute ihn abwesend an.
    »Ich meine nur, diese riesigen Pfützen, da könntest du endlich schwimmen lernen.«
    Doch sein Sohn reagierte nicht, sondern sprang weiter über die Seenlandschaft.
    Filip seufzte. Dora hatte ganze Arbeit geleistet. Erst entfremdete sie ihm den Sohn, und dann machte sie sich aus dem Staub. Er war sie los. Darüber war er froh. Mann, sie war wie ein eitriger Furunkel gewesen.
    »Hast du Hunger?«, fragte er weiter.
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