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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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kämpfte einige Minuten mit sich, bis sie schließlich mit einer Mischung aus Erleichterung und Bedauern feststellte: »Dann steigst du also aus?«
    »Nein«, beruhigte sie Helena. »Das Engagement beginnt erst im Juni. Das sind noch zwei Monate.«
    »Was ist dann heute Abend?«
    »Heute nicht, Jess, ich bin müde. Morgen vielleicht.«
    »Schon gut, Kleine.« Jess lächelte liebevoll. »Ruh dich aus. Kann ich etwas für dich tun?«
    Helena erwiderte das Lächeln. »Wünsch mir einfach nur Glück!«
    »Glück«, murmelte Jess und zog den kurzen Rock, der hinten länger war als vorne, nach unten. »Glück ist nur für die, die schon alles haben. Weißt du das nicht?«
     
    Sobald Helena den dunklen, muffigen Flur betrat, in dem einzig das unaufhörliche Tropfen des Duschkopfes zu hören war, verschwand das Glücksgefühl von einer Sekunde zur anderen. Es gelang ihr auch heute nicht, das Unbehagen abzustreifen, das sie regelmäßig beim Betreten ihrer Wohnung überfiel. Jedesmal, sobald sie den Flur betrat, legte sich etwas Schweres auf sie. Etwas, das abzuschütteln ihr nicht gelang.
    Sie hatte Prag verlassen, um der düsteren Enge zu entfliehen und nicht zuletzt dem verbohrten Katholizismus ihrer Großmutter, der sich mit einem absurden Aberglauben verbündet hatte.
    Und wo war sie gelandet?
    Im Frankfurter Bahnhofsviertel.
    Wahrlich keine Verbesserung! Doch sie hatte die Wohnung nicht wegen der Lage und schon gar nicht der Ausstattung wegen gewählt. Sie entsprach einfach ihren finanziellen Möglichkeiten. Diese waren nun, während Alex ihr letztes Geld für Drogen ausgab, praktisch gleich null. Zum Teufel mit Alex!
    Milan bot ihr immer wieder Geld an, doch sie lehnte es ab. Sie hatte kein Recht, es anzunehmen. Noch nicht. Beim Gedanken an ihn spürte sie erneut die schmerzhafte Enttäuschung.
    Andererseits schienen sich seit heute Nachmittag ihre Hoffnungen zu erfüllen. Überirdisch waren die Worte des Produzenten gewesen und Mystery. Genau dasselbe hatte die Zeitung Pražský Denik schon vor Jahren geschrieben. Sie sei ein Mysterium. Ihre Art zu tanzen schaffe im Zuschauer die Illusion zu schweben.
    Helena ließ die Jeansjacke zu Boden fallen. Irgendwann, dachte sie, bekommt jeder seine Chance. Auch ich. Es konnte nicht mehr lange dauern, dieses Leben. Ein Leben, das, wie Jess stets meinte, nichts anderes war als ein Billigflug Richtung Friedhof mit Direktanschluss zur Hölle.
    Helena streifte vorsichtig die Turnschuhe ab. Unter dem Schmerz zuckte sie zusammen. Für einen Moment schloss sie die Augen und sah dahinter einen Blitz, eine helle gezackte Linie. Barfuß ging sie ins Badezimmer, in dem die Fliesen abfielen, während sich links oben in der Ecke ein grüner Fleck ausbreitete. Helena öffnete den Reißverschluss der engen Jeans, schob sie nach unten und zog den kalten, klammen Duschvorhang zur Seite.Während sie den Wasserhahn aufdrehte, klingelte es an der Tür.
    Verflucht, Jess, habe ich dir nicht gesagt, dass ich heute meine Ruhe will? Aber Jess mischte sich immer und überall ein. Wie Babička.
    Andererseits - sie brauchte das Geld.
    Weshalb schenkte sie ihren letzten Euro auch einem Junkie? Der sie noch dazu wie ein Voyeur verfolgte? Alex’ lüsterne Blicke brannten noch immer auf ihren Brüsten. Wie immer war es diese unverhohlene Gier in den Blicken der Männer, die ihr die Kraft raubte zu widersprechen.
    Seufzend zog Helena die Jeans wieder nach oben.
     
    Er lehnte am Türrahmen, die Hand betont lässig in der Hosentasche.
    Er? Mit ihm hatte sie nicht gerechnet. Was machte er hier?
    »Was willst du? Ich bin müde.«
    »Seit wann bist du zu müde zum Tanzen?« Ein spöttisches Lächeln hing in den herabgezogenen Mundwinkeln, während er sich an ihr vorbei in den Flur drängte. Für einen Moment streifte sein schwarzer Mantel Helenas Gesicht.
    »Zum Tanzen?«, entgegnete sie verwirrt.
    Er schaute sie an. Unter dem dunklen Hut erkannte sie in seinem Blick diesen Ausdruck von totenaugenhafter Ernsthaftigkeit, der typisch für ihn war.Warum nur sah niemand außer ihr, was diese Gesichtszüge offenbarten? Zum Teufel, sie hätte sich nie auf ihn einlassen sollen.
    Aber hatte sie eine Wahl?
    Nein.
    Auch er war Teil ihrer unerfüllten Hoffnungen.
    »Der Tag war anstrengend«, erklärte sie müde und gähnte demonstrativ: »Ich hab keine Zeit. Komm ein anderes Mal wieder.«
    »Tanze für mich«, sagte er, wobei sein barscher Tonfall klarstellte, er würde nicht aufgeben.
    »Heute nicht.«
    »Ich
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