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Die Signatur des Mörders - Roman

Titel: Die Signatur des Mörders - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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vorbeirennen?
    »Aber es ist doch gut so, wie es ist«, erklärte sie, wobei sie nach irgendeinem Stück Stoff suchte. »Warum müssen wir etwas ändern?«
    »Denkst du nie über Kinder nach?«
    Myriam fühlte einen heftigen Stich in ihrer Brust. Für einen Moment bekam sie keine Luft. Sie versuchte, die Trauer zu überspielen, indem sie betont scherzhaft bemerkte: »Seit ich Rons Augenringe gesehen habe, ganz abgesehen von den Kotzflecken auf Berits unzähligen rosa T-Shirts, möchte ich mir Kinder nur noch im Museum betrachten. Hinter Sicherheitsglas, verstehst du.«
    »Wenn ich dich und die Zwillinge beobachte …« Henri drückte die Zigarette im leeren Weinglas aus.
    »Und? Was hast du gesehen?«
    Wieder wandte er sich ihr zu, legte seine warme Hand auf ihr nacktes Knie, das nicht protestierte, im Gegenteil.
    »Du hast Maries Haar geküsst«, murmelte er mit diesem wunderbaren tschechischen Akzent. »Du hast deinen Mund auf ihren Kopf gelegt. Mein Gott, ist das so schwer zu sagen, dass du dich nach einem Kind sehnst?«
    »Ich sehne mich überhaupt nicht nach einem Kind.« Myriam wurde hysterisch. »Und komm mir jetzt nicht mit dem Scheiß von wegen biologischer Uhr … die tickt vielleicht bei dir wie eine Zeitbombe, aber ich höre sie nicht.«
    »Still. Sei ruhig.« Etwas in seiner Stimme brachte Myriam tatsächlich dazu zu schweigen. »Du kennst mich. Ich gebe nicht so schnell auf. Deshalb frage ich dich jetzt ernsthaft und voller Überzeugung, ob du …«
    Ein bekanntes, in der Regel verhasstes Trillern unterbrach seine Rede.
    Danke, Gott, dachte Myriam, wo immer du bist, ich habe gewusst, dass ich auf dich zählen kann.
    »Das ist dein Handy«, sagte sie erleichtert.
    »Ich erwarte keine Anrufe. Wer etwas von mir will, soll auf die Mailbox sprechen. Außerdem habe ich keine Bereitschaft.«
    Dennoch starrten beide auf das Telefon, das unaufhörlich schrillte.
    »Es könnte wichtig sein«, drängte Myriam erleichtert.
    Henri seufzte. Sie konnte verstehen, wenn er gekränkt war, aber wie sollte sie ihm erklären, was in ihr vorging? Sie war für dieses Gespräch nicht gewappnet. Es gab zu viele Dinge, die er nicht wusste. Erinnerungen, die sie erfolgreich verdrängte. Ihre Gefühle waren so verworren, so kompliziert. Im Vergleich dazu war das Universum ein primitives System.
    »Was gibt’s?«, hörte sie Henri gereizt fragen.
    Dann folgte ein langes Schweigen, bis er murmelte: »Bin unterwegs!«
    Er beendete das Gespräch und stieß einen resignierten Seufzer aus.
    »Wer war das?«
    »Ron.«
    »Was ist los?«
    »Soweit ich verstanden habe, etwas wirklich Abartiges«, antwortete Henri und fischte seine Schuhe unter dem Bett hervor.
    Ein Satz, der bedeutete: Irgendwo in Frankfurt gab es einen Toten. Irgendwo in der Stadt war jemand eines gewaltsamen Todes gestorben. Einerlei, was Myriam an Scheußlichkeiten erwartete, eines war sicher: Noch nie war sie einer Leiche so dankbar gewesen wie dieser.
     
    Der VW-Bus rammte den Bordstein, fuhr ein Stück auf dem Bürgersteig entlang, bis er endlich zum Stehen kam. Henri hatte die ganze Fahrt über nicht mit ihr gesprochen, doch nun wandte er sich ihr zu. Diesen Ausdruck hatte sie noch nie bei ihm gesehen.
    Jeder Tag sollte eine zweite Chance bekommen. Sie wollte wieder mit ihm im Bett liegen mit der Illusion, die nächsten vierundzwanzig Stunden unbeschadet zu überstehen.
    »Henri …«
    »Nein, sag nichts. Ich …«
    »Es war doch alles gut, wie es war.« Aus welcher Schublade in ihrem Gehirn stammte dieser Satz? Er klang wie vom Discounter. »Familie - das mag dein Traum sein, aber, ehrlich, ich bin die falsche Besetzung dafür.«
    »Hör zu«, Henri zog den Schlüssel ab. »Ich möchte, dass du deine Sachen packst.«
    »Was?«
    »Pack deine Sachen.«
    Er warf sie hinaus?
    Sie?
    Das war nicht ihr Stil. Bisher war sie immer still und heimlich verlassen worden, oder sie hatte in einer dramatischen Geste dem Mann die Koffer vor die Tür gestellt.
    »Warum?«, fragte sie. O Gott, ihre Stimme lief aus der Spur. Sie klang wie Kreide, die laut an der Tafel quietscht.
    »Ich …« Henri wandte ihr das Gesicht zu. »Ich kann so nicht weitermachen. Ich möchte, dass wir zusammenleben.«
    »Aber …«
    »Nein, kein Aber.« Er schüttelte bestimmt den Kopf. »Du musst dich entscheiden.«
    »Wofür?«
    »Wofür auch immer. Denn ich weiß genau, was ich will: Den Rest meines Lebens …«
    »Du bist erst vierundvierzig«, unterbrach sie ihn schnell.
    »Den Rest meines Lebens mit
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