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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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wird es sein, Ihr holt Euch Verstärkung und folgt mir gleich“, drängt der Rheinschiffer.
    „Fremden können wir hier nicht helfen, die dürfen bei uns im Spital nicht aufgenommen werden!“, entgegnet der Kahlköpfige barsch.
    „Wo gibt es denn sowas, es ist Eure Christenpflicht, Kranken zu helfen, das ist schließlich ein Spital hier, wenn ich mich nicht täusche. Auch wenn Euch der Eisregen draußen nicht behagt, tut jetzt endlich Eure Pflicht und kommt mit, aber flugs, sonst verreckt die uns noch“, insistiert der Schiffer aufgebracht.
    „Nein, das geht nicht. Dafür sind wir nicht zuständig, das sollen andere machen!“, weigert sich der Spitalknecht.
    „Jetzt habe ich aber genug von Euch! Holt mir auf der Stelle den Hospitalmeister. Ich bin ein redlicher Rheinschiffer aus Lorch und lasse mich von Euch nicht abfertigen wie ein dahergelaufener Lumpenkrämer“, beschwert sich der Schiffer lautstark.
    „Was geht hier vor?“, erklingt es ärgerlich aus dem Hintergrund und ein kleiner, rundlicher Mann erscheint neben dem kahlköpfigen Spitaldiener in der Ladennische und weist sich als Meister Ingbert, der Spitalvorsteher, aus.
    Der Schiffer erzählt ihm aufgeregt von der fiebernden Frau, für die er Hilfe holen will.
    „Euer Verhalten ist untadelig und ehrenwert, Schiffer Haubricht aus Lorch. Doch Ignatz hat Recht, wir können diese Fremde hier bei uns nicht aufnehmen und versorgen. Unser Hospital ist durch die Spenden von Bingener Bürgern ins Leben gerufen worden, und so dürfen wir nur Leute betreuen, die der Bingener Stadtbürgerschaft angehören. Dasselbe gilt für unsere mildtätigen Speisungen, die nur unseren eigenen Stadtarmen zustehen, nicht aber den auswärtigen Bedürftigen. Für die ist das Armenspital der Elendsbruderschaft * zuständig. Es ist in der Kreuzgasse, gleich neben dem Judenviertel. Dort findet ihr ganz sicher Hilfe für Eure fremde Sieche“, erklärt der Hospitalmeister salbungsvoll und beschreibt Haubricht umständlich den Weg dorthin.
    Als der Schiffer wenig später bei der Elendsbruderschaft vorspricht, begleiten ihn sogleich zwei Hospitalhelfer mit einem Holzkarren hinunter zum Hafen. Dort wird die Kranke verladen und zum Spital abtransportiert. Der besorgte Ehemann bedankt sich bei Jakob Haubricht und den anderen Rheinschiffern für ihre Hilfe und folgt eiligen Schrittes dem Krankentransport.
    Meister Bernhard, der Vorsteher des Spitals, ein ruhiger Mann von stämmiger Statur, nimmt die Fiebernde gleich nach ihrer Ankunft in Augenschein. Dabei stellt er ihrem Begleiter verschiedene Fragen. Der Mann stellt sich als Albert von Uffstein vor und berichtet in knappen Worten, dass er und seine Frau Maria Haftentlassene aus Frankfurt sind. Seine Frau habe durch die lange Dunkelhaft im Brückenloch großen Schaden genommen, sei aber wieder so weit gesundet, dass sie sich zu einer Reise ins Rheinland entschlossen hätten, denn sie beide wollten nicht mehr länger in einer Stadt bleiben, in der ihnen soviel Unrecht widerfahren wäre.
    „Seit gestern Abend hat sie das Fiebern angefangen und behält nichts mehr bei sich. Bitte helft ihr! Sie hat soviel Leid ertragen müssen und die schlimmsten Qualen überstanden. Und jetzt, wo wir endlich frei sind, darf sie mir doch nicht einfach wegsterben. Sie ist mein ein und alles“, stammelt Uffstein und kann seine Tränen nicht mehr halten.
    Der Hospitalmeister versucht den zutiefst Niedergeschlagenen zu trösten, indem er freundlich das Wort an ihn richtet:
    „Albert von Uffstein, ich versichere Euch, Ihr seid bei uns gut aufgehoben und ich werde mein Bestes geben, um Eurer Frau zu helfen.“
    Der Hospitalmeister und eine kräftige Matrone, die Meister Bernhard als Marie, die Hebamme und gleichzeitig auch sein Eheweib vorstellt, sowie ein Spitalhelfer machen sich sogleich daran, der Kranken die feuchten, von Erbrochenem verunreinigten Kleidungsstücke auszuziehen. Die Helfer waschen die Fiebernde behutsam von Kopf bis Fuß mit heißem Wasser, das wohltuend nach Kampfer riecht. Dabei tastet der Medicus Mäus ballonartig aufgetriebenen Leib ab, schaut ihr in den Mund und befühlt die Stirn.
    „Die Milz ist hart und angeschwollen. Sie hat ein gefährliches Fieber, das man durch verdorbene Nahrung oder schlechtes Trinkwasser bekommen kann. Wahrscheinlich hat sie sich ihre Erkrankung im Gefängnis geholt. Das Fieber ist extrem hoch. Sie ist bereits im Delirium. Wir können nichts weiter tun, als ihr Kühlung durch feuchte Wickel zu verschaffen
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