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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd
Autoren: Ursula Neeb
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erfahrungsgemäß nur langsam voran. Schweren Herzens sagt er für heute den Bücherständen Adieu und begibt sich zielstrebig zum Haus in der Alten Mainzergasse Nummer 11, auf den Schultern einen schweren Tornister mit Flugblättern und mehreren neu erstandenen Büchern, zu denen das „Vita di Dante“ von Boccaccio und die lateinische Anklageschrift Ulrich von Huttens gegen den Herzog von Württemberg genauso gehören wie das „Encomion moriae seu laus stultitiae“ * des Erasmus von Rotterdam. Der große Erasmus wird nachher in den Verkaufsräumen seiner englischen Verleger Passagen aus seinen berühmten geistvollen Schriften vorlesen. Sein Freund Sir Thomas More aus London soll ebenfalls anwesend sein und mit ihm ein Großteil der humanistischen Intelligenz Europas. Im Anschluss an den Vortrag wird es sicherlich noch eine interessante Disputatio geben, und Albert gibt sein Bestes, um bloß nicht zu spät zu kommen, was überdies noch eine grobe Unhöflichkeit gegenüber dem verehrten Redner darstellen würde. Inmitten des dichten Menschenpulks, die schwere Bücherlast auf dem Rücken, kommt Albert rasch ins Schwitzen und zu allem Übel muss sich ihm dann auch noch so ein Uhu glatt in den Weg stellen! Baut sich breitbeinig vor ihm auf und fixiert ihn ganz frech, der aufgestumpte Kerl!
    „Aus dem Weg, du Tropf!“, schimpft Albert aufgebracht und versucht sich in nächster Minute auch schon an dem grobschlächtigen Mann vorbeizudrängeln, als dieser ihn mit festem Griff am Arm packt und mit einer massiven Holzstange bedroht.
    Auch das noch, ein Stangenknecht!, wird es dem Flugblatthändler mit einem Mal hochnotpeinlich bewusst. Mit den Gedanken ganz woanders, hat er die dunkelgrüne Schergentracht seines Gegenübers zunächst gar nicht bemerkt. Doch nun ist es zu spät, denn es kommt auch schon ein zweiter Polizeibüttel herbeigeeilt. Ohne lange zu fackeln, nehmen die beiden Gesetzeshüter Albert in den Schwitzkasten und führen ihn unter allgemeinem Aufsehen zum städtischen Leinwandhaus am Weckmarkt, welches der Bürgerpolizei während der Messe als provisorische Wachstation dient.
    Von oberster Stelle angewiesen, hat sich die Polizei schon den ganzen Tag über um die Bücherstände formiert, was Albert in seiner Begeisterung für die Neuerscheinungen auf den Büchertischen gar nicht aufgefallen ist. Auch von den Razzien in einigen Verkaufsgewölben und der Festnahme anderer „verdächtiger“ Personen hat er nichts mitbekommen. Umso bestürzter reagiert er auf seine plötzliche Inhaftierung. Was das Ganze denn soll, fragt er die Büttel entrüstet. Er habe doch überhaupt nichts angestellt, was eine so rüde Behandlung rechtfertige und sei doch nur ein harmloser Flugblatthändler aus dem Rheinhessischen, der die Frankfurter Buchmesse besuchen wolle.
    Aber es wird ihm dabei doch recht mulmig zumute, denn vor einigen Jahren hatte er schon einmal die Bekanntschaft mit den harten Fäusten der Frankfurter Polizeibüttel machen dürfen. Inständig hofft er, dass sich keiner der Stadtknechte an ihn erinnert. Als man ihn schließlich nach Namen und Herkunft fragt und Albert darauf etwas zerknirscht, aber wahrheitsgemäß antwortet, wird einer der Stangenknechte, ein kahlköpfiger, feister Typ mit Glotzaugen und einer wulstigen Unterlippe, sofort hellhörig und mustert ihn tückisch, bevor er lospoltert:
    „So, so, Albert von Uffstein heißt Er und ist ein adeliger Lotterbube aus Rheinhessen. Mensch, das ist doch ein alter Bekannter von uns, über den muss auch was in den Magistratsakten stehen! Ich hab doch den Kerl damals selber geschnappt. Das ist ein stadtbekannter Aufwiegler! Vor ein paar Jahren hatten sich doch so zwei Pfaffen wegen einer Hübscherin in die Wolle gekriegt und dabei hat der eine den anderen erstochen. Und unser Freund hier hat dann darüber ein Flugblatt verfasst. Daraufhin wurde er wegen ,bösartiger Verunglimpfung der Geistlichkeit’ an den Pranger gestellt, und darf sich hier in der Stadt eigentlich gar nicht mehr blicken lassen. Ich weiß es deswegen noch so genau, weil ich mir damals seinen Namen gemerkt habe, wo der doch so ähnlich heißt wie unser ehrenwerter Stadtrat Claus Uffsteiner“, erläutert der Stangenknecht und grinst dabei hämisch.
    „Ach so, du meinst den alten Weiberschinder, der seine Alte daheim immer grün und blau schlägt“, entgegnet sein Kollege mit einer abfälligen Handbewegung.
    „Hör bloß auf! Auf den alten Zornegickel lass ich jedenfalls nix kommen! Der
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