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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes
Autoren: Bram Stoker
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den Worten auf uns zu:
    »Ich habe alles eigenhändig untersucht und habe Scotland Yard benachrichtigen lassen. Sehen Sie, Mr. Ross, an diesem Fall gibt es so viel Merkwürdigkeiten, daß ich es für klüger hielt, den besten Mann der Kriminalabteilung kommen zu lassen. Ich bat schriftlich um die Entsendung von Sergeant Daw. Sie erinnern sich gewiß an ihn, Sir, damals in Hoxton – der Fall mit dem Gift und dem Amerikaner.«
    »Ach ja«, sagte ich, »ich entsinne mich sehr wohl. An diesen und viele andere Fälle, denn von seinem Geschick und seiner Geistesschärfe habe ich oft profitiert. Sein Verstand arbeitet so, wie ich es bei keinem anderen erlebt habe. Wenn ich als Verteidiger meinen Mandanten für unschuldig hielt, dann war ich froh, ihn als Gegner zu haben!«
    »Das nenne ich ein Lob, Sir!« äußerte der Superintendent befriedigt. »Ich bin froh, daß Sie meine Wahl billigen.«
    »Sie könnte nicht besser sein«, sagte ich, aus tiefstem Herzen überzeugt. »Zweifellos werden wir zu dritt die Tatsachen aufdecken – und das, was dahintersteckt!«
    Wir gingen hinauf zu Mr. Trelawnys Zimmer, wo wir alles genauso vorfanden, wie seine Tochter es beschrieben hatte.
    Da wurde an der Haustür geschellt, und gleich darauf wurde ein Mann ins Zimmer geführt. Ein junger Mann mit edlen Zügen, scharfen grauen Augen und einer breiten sowie hohen Denkerstirn. In der Hand trug er eine schwarze Tasche, die er sofort öffnete. Miß Trelawny machte uns miteinander bekannt: »Doktor Winchester, Mr. Ross, Superintendent Dolan.« Wir begrüßten einander mit einer Verbeugung, und der Mann begann ohne Verzug mit seiner Arbeit. Wir alle warteten und sahen gespannt zu, wie er die Wunde versorgte. Während dieser Tätigkeit wandte er sich hin und wieder um und lenkte die Aufmerksamkeit des Superintendenten auf eine Einzelheit an der Wunde, worauf letzterer sich daranmachte, die Tatsache in sein Notizbuch einzutragen.
    »Sehen Sie! Mehrere parallele Schnitte oder Kratzer von der linken Handgelenkseite ausgehend, die an manchen Stellen die Radialarterie bedrohen.
    Diese kleinen Wunden hier sind tief und gezackt. Sie sehen aus, als wären sie mit einem stumpfen Instrument zugefügt worden. Diese da hingegen scheint mir mit einem scharfen Keil verursacht, das Fleisch ist wie durch einen Druck von der Seite her zerrissen.«
    Und zu Miß Trelawny gewandt sagte er plötzlich:
    »Glauben Sie, wir könnten das Armband entfernen? Absolut notwendig ist es nicht, denn es wird ohnehin weiter herunterrutschen, wo es dann lose aufliegt. Aber es könnte später zum Wohlbefinden des Patienten beitragen.«
    Das arme Mädchen errötete heftig, als es leise antwortete: »Ich weiß es nicht. Ich – ich lebe erst seit kurzem bei meinem Vater. Und ich weiß so wenig von seinem Leben und von seinen Gedanken, daß ich in einer solchen Sache leider nicht urteilen kann.«
    Nachdem er ihr einen scharfen Blick zugeworfen hatte, sagte der Arzt überaus freundlich:
    »Verzeihen Sie! Das wußte ich nicht. Aber machen Sie sich keine Gedanken. Im Moment ist es nicht nötig, daß man es entfernt. Und wäre es der Fall, dann würde ich es auf eigene Verantwortung entfernen. Später können wir es ganz leicht mit einer Feile entfernen. Ihr Vater hatte zweifellos einen guten Grund, es zu tragen. Sehen Sie! Da hängt ein kleiner Schlüssel daran…«
    Er hielt inne und bückte sich tiefer, während er mir die Kerze abnahm und sie so hielt, daß ihr Licht auf das Armband fiel. Indem er mir bedeutete die Kerze ebenso zu halten, entnahm er seiner Tasche eine Lupe, die er ans Auge hielt. Nach einer eingehenden Untersuchung stand er auf und überreichte Dolan das Vergrößerungsglas mit den Worten:
    »Sehen Sie selbst! Das ist kein gewöhnliches Armband. Das Gold ist über dreifache Stahlglieder gearbeitet. Sehen Sie, wo es abgenutzt ist. Nein, das Ding läßt sich nicht so einfach mit einer Feile lösen.«
    Der Superintendent bückte sich, und kniete sodann neben dem Sofa nieder. Er untersuchte das Armband ganz genau, und drehte und wendete es so, daß ihm nicht die kleinste Einzelheit entging. Dann stand er auf und händigte mir das Vergrößerungsglas aus.
    »Wenn Sie es gesehen haben«, sagte er, »dann soll die Dame es sich ansehen.« Und er schrieb sich alles ausführlich in sein Notizbuch.
    Ich änderte seinen Vorschlag ab, indem ich das Vergrößerungsglas Miß Trelawny reichte: »Wollen Sie es nicht erst ansehen?«
    Sie wich zurück und hob abwehrend die Hand.
    »O
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