Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
Er hat recht, er kennt uns genau. Die Ursache kommt vor der Wirkung. Jones starb am Montag, der Krieg wurde am Dienstag verloren. Selbst ich, hier in diesem Zimmer, kann mir nicht helfen – ein bißchen bin ich auch überzeugt.«
     »Ich auch«, sagte Nina kaum hörbar. »Es wirkt einfach – richtig.«
     Cussick trat ans Fenster, schob den Vorhang zurück und starrte hilflos in den Regen hinaus.
     »Was wird aus uns beiden?« fragte Nina ängstlich. »Nach Westafrika wirst du nicht wollen.«
     »Glaubst du denn, das wäre weit genug weg? Für mich! Ich bin der Mann, der Jones ermordet hat – vergiß das nicht. Viele Menschen werden hinter mir her sein.«
    »Aber wohin können wir gehen?« fragte Nina.
     »Weg von der Erde«, sagte Cussick düster. »Hier gibt es keine Zuflucht für uns. Es wird ein, zwei Tage dauern, bis sie sich aufraffen – so bleibt uns gerade noch Zeit, Jackie und alles andere zu holen, was wir brauchen: Vorräte – tonnenweise, ein gutes Raumschiff, eines, das in erstklassiger Verfassung ist. Hast du noch genügend Geld und Einfluß für dergleichen?«
    Sie nickte langsam.
     »Ja, ich denke schon. Das klingt so, als hättest du dich schon entschlossen, als wüßtest du, wohin wir wollen.«
     »Ja, wohin wir wollen und was wir tun. Es ist nicht angenehm, wäre aber vielleicht nicht für Dauer. Das ist ein Trost – diese Geschichte ist vielleicht eines Tages vorbei, und wir können zurückkommen.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Nina.
    »Ich auch. Wir brauchen aber etwas, um weitermachen zu können. Wir werden es nicht leicht haben.« Er kam vom Fenster zurück. »Du könntest hierbleiben, Nina. Gesetzlich bist du nicht meine Frau. Man wird uns nicht unbedingt miteinander in Verbindung bringen. Wenn du geschickt vorgehst, kannst du wieder eine loyale Funktionärin sein.«
    »Ich komme mit«, sagte Nina.
     »Bist du sicher? Du hättest immerhin glänzende Aussichten – in der neuen Kirche könntest du eine Heilige sein.«
    Sie lächelte traurig.
    »Ich weiß, daß ich mitkommen will, also hör auf damit.«
     »Gut«, sagte Cussick zufrieden. Eigentlich war er sogar glücklich. Er küßte sie auf die Nase. »Du hast recht – fangen wir an. Je eher wir hier wegkommen, desto besser.«

     Das Innere der Hütte war kühl und dunkel. Die feuchte und nebelige Luft wirbelte Louis ins Gesicht und behinderte seine Sicht. Er blinzelte, kniff die Augen zusammen, kauerte sich nieder und beugte sich vor, um besser sehen zu können.
    »Vorsichtig«, sagte Dieter streng.
     Im Schatten lag Vivian, bis zum Hals zugedeckt. Sie sah mit ihren dunklen, großen Augen zu Louis auf. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Sein Herz krampfte sich zusammen, und das. Atmen fiel schwer. »Vielleicht sollte ich lieber später wiederkommen«, murmelte er.
     »Ich fahre dich nicht fünfzig Meilen umsonst«, erwiderte Dieter. »Was ist los? Hast du Angst?«
     »Ja«, gab Louis zu. »Muß ich hinsehen?« Die Angst ergriff ihn, und er wich hastig vom Bett zurück. Wenn es nun nicht richtig war? Die Möglichkeit bestand immer, in hohem Maß sogar. Das Problem war nie gelöst worden; vielleicht waren die Gene unverletzbar, wie Mendel behauptet hatte. Aber wie war es dann zur Evolution gekommen? »Nein«, sagte er. »Ich kann nicht hinsehen.«
    Dieter trat zu seiner Frau.
     »Du bist der nächste«, sagte er zu Louis. »Du mit Irma. Und dann Frank und Syd. Also sieh hin.«
    Er sah hin.
     Zitternd bückte er sich. Das Baby schlief fest. Ein rötliches, gesundes Gesicht, die Augen fest zusammengepreßt, der Mund geöffnet, die Stirn gerunzelt. Winzige Arme ragten heraus. In vieler Beziehung sah es aus wie ein irdisches Baby – aber es war keines. Das konnte er schon erkennen.
     Die Nasenlöcher waren verändert. Das fiel ihm zuerst auf. Sie besaßen dünne Verschlüsse – eine Filtermembran, um den dichten Wasserdampf fernzuhalten. Und die Hände. Er streckte vorsichtig seine Hand aus, ergriff die winzige rechte Hand des Säuglings und betrachtete sie. Die Finger besaßen Schwimmhäute. Zehen fehlten. Der Brustkorb war riesig: gewaltige Lungen, um genug Luft einzusaugen und den gebrechlichen Organismus am Leben zu erhalten.
     Und das war der Beweis. Das war das Wichtige, das Entscheidende. Das Baby war am Leben. Es atmete die Venus-Luft, ertrug die Temperatur, die Feuchtigkeit… nur das Problem der Ernährung blieb noch.
     Vivian zog den Säugling liebevoll an ihren Körper. Das Baby bewegte sich, strampelte und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher