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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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Hand und drückte auf die Starttaste. »Jetzt bin ich also tot«, erklärte Jones. »Ich kann nicht genau sagen, wann Sie das Band erreicht, aber es wird wohl klappen. Was ich weiß, ist dies: Sobald und falls Sie das hören, werde ich tot sein, denn soviel habe ich gesehen. Sie haben es inzwischen auch erlebt. Begreifen Sie, wie mir zumute ist? Ein Jahr lang sah ich diesen Augenblick vor mir, wußte, daß er kam, wußte, daß er sich nicht vermeiden ließ, durchlitt ihn – und das, was danach kommt. Jetzt ist es vorbei. Jetzt kann ich ruhen. Sie verstehen natürlich, daß Sie getan haben, was ich wollte. Aber wahrscheinlich wissen Sie nicht, warum.
     Ich habe einen Fehler gemacht. Ich setzte alles auf eine Karte, ich ging ein Risiko ein, und ich verlor. Ich irrte mich – aber nicht so, wie Sie denken. Ich täuschte mich viel mehr, als Sie glauben.«
    »Nein«, sagte Cussick mit zornerstickter Stimme.
     »Morgen oder übermorgen werden die bewaffneten Raumschiffe zurückkommen«, fuhr Jones fort. »Die Menschen hätten gesehen, daß ich einen Fehler gemacht habe – sie würden erkennen, daß ich fehlbar bin wie jeder andere. Sie würden wissen, daß ich kein absolutes Wissen besitze.« Ein triumphierendes Lachen tönte aus dem Lautsprecher. »Es hätte sich bald herumgesprochen: Jones war ein Schwindler. Jones hatte gar kein besonderes Talent. Jones hat uns zum Narren gehalten. Von der Zukunft wußte er nicht mehr als wir. Aber das werden sie jetzt nicht mehr glauben. Sie besitzen diese Tatsache: Heute ist Jones ermordet worden. Morgen kommen die Raumschiffe zurück. Jones starb, bevor die Niederlage begann – und die Ursache steht immer an erster Stelle.«
    Cussick schaltete das Gerät w utentbrannt ab. »Mein Gott«, sagte er bitter.
    »Das verstehe ich nicht«, flüsterte Nina. »Was meint er?«
    Widerwillig setzte Cussick die Maschine wieder in Betrieb.
     »Sie werden sagen, daß ich hinterhältig ermordet worden bin«, sagte Jones befriedigt. »Sie werden sagen, Sie hätten ihnen den Sieg gestohlen, als Sie mich umbrachten. Die Legende wird wachsen: Wäre Jones am Leben geblieben, dann hätten wir gesiegt. Sie waren es, das alte System, die Bureg, der Relativismus, der uns das geraubt hat. Jones hat nicht versagt. Bei Ihrer Frau möchte ich mich entschuldigen. Ich mußte das sagen, um Sie anzustacheln. Pearson ist natürlich am Leben. Sie finden ihn in einem der Polizeigefängnisse, das heißt, wenn Sie noch – «
     »Du kannst abschalten«, sagte Nina. »Ich brauche nichts mehr zu hören.«
    Er tat es sofort.
    »Ich habe ihm geholfen, sein Ziel zu erreichen. Er hat mich benützt, wie er Pearson benützt hat – wir waren Bestandteile seines Plans.«
    Sie schwiegen lange Zeit.
     »Nun, der Bürgerkrieg bleibt uns erspart«, sagte Nina schließlich tapfer.
     »Ja«, gab Cussick zu. »Das war ein Trick. Alles, was er dir über einen großen Kampf gegen den Mob erzählt hat, war für meine Ohren bestimmt.«
    »Er verstand etwas von Psychologie.«
     »Er verstand alles. Er begriff die Geschichte; er wußte, wann er abtreten mußte und wie. Er wußte, wann er Auftritt und Abgang inszenieren mußte. Wir glaubten, wir müßten Jones noch sechs Monate ertragen – statt dessen bleibt uns Jones, die Legende von Jones, für alle Ewigkeit.«
     Er brauchte nicht Jones’ Begabung, um das zu sehen: die neue Religion, der gekreuzigte Gott, der zum Ruhm der Menschheit getötet worden war und der eines Tages wiederkehren würde; es war ein Tod, der nicht umsonst gestorben war… Tempel, Mythen, heilige Texte. Der Relativismus hatte ausgespielt in dieser Welt.
     »Er hat uns wirklich in der Hand«, gab Cussick zu; er war wütend und bestürzt, aber gleichzeitig mußte er die Verschlagenheit dieses Mannes bewundern. »Er hat uns von Anfang an hereingelegt. Es wird Standbilder von Jones geben, die zwanzig Meter hoch sind. Er wird von Jahr zu Jahr größer werden – in hundert Jahren ist er ein paar Kilometer hoch.« Er lachte rauh. »Schreine. Heilige Abbilder.«
    Nina spulte das Band zurück.
    »Vielleicht können wir das als Beweismaterial verwenden.«
    »Mein Gott«, sagte Cussick, »Beweise haben wir genug. Wir können beweisen, daß sich Jones geirrt hat – tausendfach. Er hat die ›Drifter‹ falsch eingeschätzt, das steht fest. Der Ring um uns bestand schon, bevor Jones starb, die Raumschiffe waren schon auf dem Rückweg. Und er ist tot – von der Vernunft her müßte das genügen. Aber es genügt nicht.
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