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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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eine Seitentür. »Dort hinein, und beeilen Sie sich bitte. Es warten noch mehr Leute.«
     Cussick ging zu Nina zurück. Sie starrte ihn mit geweiteten Augen an.
     »Ich gehe hinein«, sagte er. »Es ist vielleicht besser, wenn du gehst. Du brauchst nicht mehr hierzubleiben.«
    Sie stand auf. »Wohin soll ich?«
    »Zurück zur Wohnung. Warte dort auf mich.«
     »Gut«, sagte sie. Nichts sonst. Sie drehte sich wortlos um und ging mit schnellen Schritten zum Lift zurück.
     Als sich Cussick dem inneren Büro näherte, fragte er sich grimmig, warum der Antrag so bereitwillig angenommen worden war. Er zerbrach sich immer noch den Kopf, als vier grauuniformierte Funktionäre vor ihm auftauchten.
    »Papiere«, sagte einer und streckte die Hand aus. »Ihre Papiere, Mister.«
     Cussick gab ihm die Unterlagen, die er zurückerhalten hatte. Die Männer prüften sie, starrten ihn an und waren befriedigt.
     »In Ordnung«, sagte einer von ihnen. »Sie können weitergehen.«
     Ein Teil der Wand öffnete sich knarrend, und Cussick hatte wieder Büros und Korridore vor sich. Hier waren weniger Menschen unterwegs. Seine Schritte hallten in der Stille. Er ging einen breiten, mit einem Läufer ausgelegten Flur entlang. Niemand war zu sehen. Niemand nahm ihn in Empfang. Es war beinahe so still wie in einer Kirche… man sah keine Ornamente, keine Bilder oder Statuen, nur den Teppich, die nackten Wände und die Decke. Am anderen Ende des Korridors sah er eine halbverschlossene Tür. Er erreichte sie und blieb unsicher stehen.
     »Wer ist da?« fragte eine Stimme; sie klang dünn, metallisch, müde und gereizt. Zunächst erkannte er sie nicht, dann begriff er.
     »Herein«, befahl die Stimme verärgert. »Bleiben Sie nicht draußen stehen.«
     Er trat ein; in der Hand hielt er den Lethe-Spiegel fest umschlossen. Hinter einem riesigen, mit Akten beladenen Schreibtisch saß Jones; sein Gesicht war von Erschöpfung und Verzweiflung zerfurcht. Die Aktenstapel verbargen ihn beinahe ganz – eine müde, besiegte Gestalt, die mit einem Berg rang, der viel zu groß war.
     »Guten Tag, Cussick«, murmelte Jones und hob kurz den Kopf. Er streckte die krallenartigen Hände aus und schob ein paar Akten- und Tonbandstapel weg. Er kniff kurzsichtig die Augen zusammen und deutete auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.«
    Fassungslos ging Cussick auf den Schreibtisch zu. Jones hatte ihn erwartet. Natürlich – er hatte sich das Selbstverständliche nur nicht eingestehen wollen. Lange bevor er das Formular gesehen – lange bevor Cussick es diktiert hatte – war Jones schon klar gewesen, wer hinter dem ›Experten vom astronomischen Forschungslabor‹ steckte.
     Hinter Jones standen zwei riesige uniformierte Kerle mit leeren Gesichtern, die Maschinenpistolen im Anschlag – stumm und regungslos wie Statuen. Cussick zögerte, berührte den LetheSpiegel und zog ihn heraus.
     »Na los«, knurrte Jones verdrossen und streckte die Hand aus. In der nächsten Sekunde hatte er den Lethe-Spiegel ergriffen; ohne ihn auch nur anzusehen, ließ er ihn auf den Teppich fallen und zertrat ihn mit dem Absatz. Er faltete die Hände vor sich auf der Schreibtischplatte und sah zu Cussick auf.
     »Wollen Sie sich nicht endlich setzen?« zischte er. »Ich schaue ungern nach oben. Setzen Sie sich, damit wir uns unterhalten können.« Er kramte in dem Durcheinander auf seinem Schreibtisch. »Sie rauchen, nicht wahr? Ich habe keine Zigaretten hier, weil ich das Rauchen aufgegeben habe. Es ist ungesund.«
     »Ich habe meine eigenen«, sagte Cussick und griff mit zitternden Fingern in sein Jackett.
     Jones trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte und sagte: »Ich habe Sie seit Jahren nicht mehr gesehen, seit dem Tag im Polizeibüro. Arbeit, Verfügungen und Reden, die ganze Zeit. Ein Riesenjob, das. Große Verantwortung.«
    »Ja«, sagte Cussick heiser.
    »Pearson ist tot, wissen Sie. Heute früh gestorben.« Ein groteskes Grinsen verzerrte das eingefallene Gesicht. »Ich habe ihn eine Weile am Leben erhalten. Er plante meine Ermordung, aber darauf habe ich gewartet – ein ganzes Jahr. Gewartet darauf, daß der Attentäter auftauchte. Sie haben sich für Ihren Besuch einen guten Zeitpunkt ausgesucht; ich wollte Sie eben holen lassen. Natürlich nicht nur Sie, sondern alle von Ihrer Klasse, den ganzen Haufen. Auch diese dumme Blondine, mit der Sie verheiratet waren. Sie wußten ja, daß sie zu uns gekommen ist, nicht? Natürlich haben Sie das gewußt – sie
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