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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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den Regen aus dem Gesicht. »Wir brachten fast alle an den Mann, bevor es zu regnen anfing«, jubelte sie.
     Der dritte Halbwüchsige, ein dicker Junge, sah Nina ehrfürchtig an und krächzte: »Sind Sie in der Organisation?«
    »Ja«, sagte Nina gepreßt.
     Die Mädchen betasteten ihre durchnäßte Kleidung und versuchten ihr Haar zu trocknen.
    »Mensch«, sagte eine, »das ist ja ein Dienstwagen.«
     Das erste Mädchen – es war klein und hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht mit großen, aufmerksamen Augen – sagte schüchtern zu Cussick: »Haben Sie ein Kreuzzug-Abzeichen?«
     »Nein«, gab Cussick kurz zurück. Die Ironie kam ihm schneidend zum Bewußtsein: Das war eine typische Gruppe junger Fanatiker, die Kreuzzug-Abzeichen verkaufte, um Geld für den Kreuzzug zu sammeln. Sie standen an Straßenecken, hielten Autos und Fußgänger an und drängten ihnen die Abzeichen auf. In den vier jungen Gesichtern sah er nichts als unschuldige Erregung. Für sie war der Kreuzzug eine edle Sache, eine geistige Erlösung.
     »Würden Sie – « begann das Mädchen und sah ihn ängstlich an, »möchten Sie ein Kreuzzug-Abzeichen kaufen?«
     »Gewiß«, sagte Cussick. »Warum nicht?« Er kramte in seiner Tasche. »Wieviel?«
    Nina gab einen erstickten Laut von sich und senkte den Kopf. Er beachtete sie nicht und zog ein paar zerknüllte Scheine heraus.
     »Zehn Dollar sind üblich«, sagte das Mädchen, während es hastig in seinen Korb griff. »Soviel Sie wollen – es ist für eine gute Sache.«
     Er gab ihr das Geld. Ernsthaft und zögernd heftete sie ihm das Abzeichen an. Da hing es, ein kleiner Schild aus farbigem Kunststoff, mit dem erhobenen Schwert des Kreuzzugs auf den vertrauten gekreuzten Flaschen. Es kam ihm seltsam vor, das Abzeichen zu tragen. Plötzlich streckte er die Hand aus und nahm ein zweites Abzeichen aus dem Korb.
    »Hier«, sagte er leise zu Nina. »Für dich.«
     Er steckte es ihr an. Nina lächelte schwach und berührte seine Hand.
    »Jetzt haben wir alle eins«, sagte das Mädchen scheu.
     Cussick bezahlte für den zweiten Knopf, und sie legte das Geld zu den anderen Beträgen. Die sechs Personen fuhren durch den Regen, stumm und bedrückt, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Cussick fragte sich, was die vier Kinder in ein paar Tagen tun und denken würden. Das wußte nur Gott… Gott und Jones, die beiden wußten es. Er jedenfalls nicht.
     Der Fahrer ließ die Halbwüchsigen an einer großen Kreuzung aussteigen. Die Türen fielen hinter ihnen zu, sie winkten dankbar, und der Wagen brauste davon. Vor ihm lag das ominöse graue Viereck aus den gepanzerten, bombensicheren Gebäuden der Bureg.
     »Diese Kinder«, sagte Nina traurig. »So war ich auch, vor gar nicht so langer Zeit.«
    »Ich weiß«, erwiderte Cussick.
    »Sie meinen es nicht böse. Sie verstehen eben nichts.«
    Er beugte sich vor und küßte sie.
    »Wünsch mir Glück«, sagte er.
    »Das tu ich.« Sie klammerte sich an ihn. »Bitte, paß auf dich auf.«
     Cussick berührte sein Jackett. In der Innentasche steckte außer dem Spiegel eine Polizeipistole. Der Spiegel war für Jones, die Pistole sollte dazu dienen, daß er wieder an den Wachen vorbei herauskonnte.
     »Wie weit kannst du mich hineinlotsen?« fragte er sie. »Wie weit reicht deine Autorität?«
     »Bis ganz oben«, antwortete sie. »Es wird nicht schwer sein – sie kennen mich alle.«
     »Hier sind wir, Sir«, sagte der Fahrer. Der Wagen hatte die Stadtautobahn verlassen und fuhr eine lange Rampe zu den Garagen hinunter. Ein schauriges Dröhnen war zu hören; die Räder des Wagens glitten über Stahlschienen. In der Düsternis blinkten Lampen; der Wagen reagierte sofort. Er kam fast zum Stehen, als ihn der Fahrer der Garagensteuerung überließ. Der Motor schaltete sich aus, die Bremse ein. Sie waren an Ort und Stelle.
     Cussick öffnete vorsichtig die Tür und trat hinaus. Er erkannte die Umgebung; die riesige Betonhalle hatte früher auch seinen Wagen beherbergt. Ein grauuniforrnierter Wächter kam heran. Das war der einzige Unterschied. Er trug eine Uniform der Organisation, nicht das Polizeibraun. Er hob die Hand an die Mütze.
     »Abend«, murmelte er. »Kann ich Ihren Erlaubnisschein sehen?«
     »Ich spreche mit ihm«, sagte Nina. Sie kramte in ihrer Handtasche und zog die Metallplatte heraus. »Hier. Der Wagen gehört mir.«
     »Wann wollen Sie ihn abholen?« fragte der Mann und gab die Platte zurück. Die erste Hürde war genommen. »Soll
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