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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin
Autoren: Jocelyne Godard
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könnt?«
    »Ja, leider! Wir haben einen großen Auftrag für Seigneur de La Tournelle, der diesen Winter fertig werden muss. Wir sind bisher nicht viele in der Werkstatt, und zumindest Jacquou und ich müssen fast Tag und Nacht durcharbeiten.«
    Während Catherine ihrer Herrin Unterrock, Rock und Robe reichte, bat Louise Alix, ihr mehr über diesen Auftrag von Seigneur de La Tournelle zu erzählen.
    »Es sind fünf große Wandbehänge mit dem Thema der Jagd auf das Einhorn.«
    »Hat man nicht in Brüssel zum gleichen Thema Tapisserien für Königin Anne angefertigt?«
    Bei dieser Andeutung, die ihr sofort ziemlich wahrscheinlich vorkam, blieb Alix fast die Luft weg.
    »Seid Ihr ganz sicher?«
    »Ja, vollkommen.«
    Jetzt machte sich Catherine an die Frisur der Gräfin.
    »Du sollst mein Haar nur glätten und mir die Haube aufsetzen«, sagte Louise und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, die das Dienstmädchen in großen Locken hochstecken wollte. »Die große Frisur machen wir dann morgen, ehe ich der Königin unter die Augen trete. Es kommt nämlich auf keinen Fall in Frage, dass sie besser frisiert ist als ich. Nachdem heute aber nur ein Reisetag ist, spielt es keine Rolle, ob ich hübsch oder hässlich bin.«
    Dabei musste sie selbst lachen. Alix ging die Geschichte mit der Jagd auf das Einhorn nicht aus dem Kopf, und sie wollte mehr darüber erfahren.
    »Seid Ihr wirklich ganz sicher, dass dieses Thema von Königin Anne in Auftrag gegeben wurde?«
    »So sicher, wie ich blond bin und Catherine brünett ist.«
    Und tatsächlich lugten ein paar freche schwarze Locken unter dem weißen Häubchen des Dienstmädchens hervor.
    »Außerdem weiß ich es ganz bestimmt, weil diese Tapisserien alle die Buchstaben ›A‹ und ›E‹ tragen, den ersten und den letzten Buchstaben des Namens von Königin Anne, wie sie es gewünscht hat.«
    »Oje!«
    »Aber was stört Euch denn so daran, Alix?«, fragte Louise lachend.
    »Wie heißen die Titel der einzelnen Teppiche?«
    »Soweit ich weiß sind es die folgenden Überschriften: ›Das Stelldichein‹, ›Das Einhorn taucht sein Horn in den Bach‹, ›Das Einhorn springt über den Bach‹, ›Das Einhorn verteidigt sich‹, ›Das Mädchen hat das Einhorn gezähmt‹ und ›Das getötete Einhorn wird zum Schloss getragen‹.«
    »Nein, nein, nein.« Alix gestikulierte wie wild in ihrem Sessel. »Bei uns gibt es kein totes Einhorn, aber eines unserer fünf Bilder hat den Titel ›Das Einhorn rebelliert‹, und ein anderes heißt ›Der Jagdherr‹. Wahrscheinlich müssen wir die Titel korrigieren und vielleicht sogar die Symbole, die ich verwendet habe. Ich bin sehr froh, dass Ihr mir das erzählt habt, Louise. Stellt Euch vor, wie peinlich es wäre, wenn man uns vorwerfen würde, wir hätten einfach Originale kopiert, die aus den berühmten Brüssler Werkstätten stammen und die auch noch zu allem Überfluss im Besitz ihrer Majestät, der König Anne, sind!«
    »Ach was, ich bin überzeugt, dass Eure Arbeit keine derartigen Vermutungen zulassen. Habt Ihr nicht eben selbst gesagt, dass die Bilder Eurer eigenen Inspiration entstammen?«
    »Ja, das stimmt. Ich zeichne sehr viele Kartons, allerdings handelt es sich dabei häufig nur um kleinere Arbeiten.«
    »Und was macht Ihr sonst noch?«
    »Ihr habt Recht. Ich verwende meine persönlichen Entwürfe, um daraus Originale zu machen.«
    »Da seht Ihr es ja! Ihr müsst Euch wirklich keine Sorgen wegen der Jagd auf das Einhorn machen, die Ihr für Seigneur de La Tournelle anfertigt.«
    »Glaubt Ihr wirklich?«
    »Ich bin mir ganz sicher. Wenn Ihr jetzt von vorn beginnt, verliert Ihr nur kostbare Zeit. Denkt lieber über neue Themen nach, weil ich vermutlich schon sehr bald bei Euch etwas bestellen kann.«
    »Wie schön, Louise! Was wünscht Ihr Euch denn?«
    »Jedenfalls keine Jagd, sondern lieber eine Dame.«
    »Vielleicht eine ›Dame mit einem Einhorn‹!«
    Alix musste lachen und meinte: »Ich habe Euch ja gesagt, dass ich eines Tages den königlichen Hof mit eigenen Augen sehen muss, um mich inspirieren zu lassen.«
     
    Wieder klopfte es an der Tür – erst dreimal ziemlich leise und dann zweimal recht laut.
    »Geh aufmachen, Catherine, das sind Marguerite und François.«
    »Kommt herein, meine Kinder«, empfing sie sie fröhlich. »Ich bin gleich fertig. Catherine muss mich nur noch pudern und mir in die Schuhe helfen. Kennt ihr denn noch Alix?«
    »Aber natürlich!«, riefen beide.
    »Habt Ihr inzwischen eine Werkstatt
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