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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin
Autoren: Jocelyne Godard
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gefunden?«, fragte Marguerite, lief zu Alix und gab ihr einen Kuss. »Euren letzten Brief habt Ihr noch aus Brügge geschrieben.«
    »Ja, Marguerite, eine schöne Werkstatt. Sie ist zwar noch ziemlich klein, aber wir haben einige Aufträge, so dass wir sie wahrscheinlich in zwei oder drei Jahren vergrößern können. Dann könnten wir auch für Kommanditäre arbeiten.«
    »Kommt Ihr mit uns nach Chinon?«, wollte jetzt François wissen.
    »Nein, das geht leider nicht, weil sie in Tours erwartet wird. Aber wir laden sie zu uns an den Hof ein, sobald wir uns dort eingerichtet haben.«
    »Ist das wirklich wahr, Mutter? Darf Alix uns besuchen?«
    »Aber gewiss doch! Der Hof soll sich nur daran gewöhnen, unseren Befehlen zu gehorchen, auch wenn sie der Königin nicht unbedingt gefallen. Schließlich ist François der voraussichtliche Thronfolger.«
    »Und wenn die Königin doch noch einen Sohn bekommt?«
    »Ich will nicht, dass du über solche Dinge sprichst, Marguerite«, tadelte sie die Mutter. »Das ist ganz unmöglich. Die Königin bekommt keine Kinder mehr. Sie ist erschöpft und schwach und eine weitere Mutterschaft wäre ihr sicheres Ende. Ich bin aber überzeugt, dass sie Tag und Nacht an nichts anderes denkt.«
    Marguerite bereute ihren unüberlegten Einwand bereits und entschuldigte sich mit belegter Stimme:
    »Ihr habt gewiss Recht, Mutter. Die Königin bekommt ganz bestimmt kein Kind mehr.«
    Aber Louise war natürlich erst recht nicht so naiv, sich darüber keine Gedanken zu machen. Was ihre Tochter gesagt hatte, war durchaus möglich. Anne de Bretagne, Königin von Frankreich und zweite Frau von Louis XII., konnte durchaus noch einen Sohn zur Welt bringen.
    »Nun ja«, meinte sie zu ihrer eigenen Beruhigung, »leider sind alle Kinder, die die Königin geboren hat, ganz früh gestorben.«
    Alle lächelten verlegen, und Catherine übernahm die Aufgabe, das bedrückte Schweigen zu unterbrechen.
    »Soll ich Philibert sagen, dass er Euer Pferd satteln soll, Dame Louise?«
    »Oh ja, Mutter, bitte!«, rief François. »ich möchte gern einen Ausritt an der Loire machen, bevor wir hier abreisen.«
    »Oder an der Vienne«, erklärte ihm Marguerite, »wir befinden uns nämlich hier genau an der Stelle, wo die beiden Flüsse zusammenfließen, François.«
    »Aha«, meinte François nur, der offenbar in Geographie nicht so begabt wie seine Schwester war.
    »Sie könnten sich aber auch teilen, dann würden sie nicht in den Ozean münden, sondern irgendwo im Sande verlaufen.«
    Louise lächelte ihre Tochter zufrieden an. Wie klug sie doch war, und wie viel sie ihrem Bruder beibrachte, der ihr immer voller Bewunderung zuhörte!
    »Dame Louise?«, fragte Catherine noch einmal.
    »Ja, ist ja gut, sagt Philibert, er soll unsere Pferde holen. Wenn Ihr uns schon nicht nach Chinon begleiten könnt, Alix, so unternehmt doch wenigstens diesen Ausritt mit uns. Dann können wir uns ausführlich über die Bestellung unterhalten, die ich bald bei Euch in Auftrag geben will.«
    Die Pferde waren gesattelt und bereit für einen Ausflug an das Loireufer, und dieser Sommertag war wie geschaffen für einen Ausritt – die Sonne strahlte von einem azurblauen Himmel, und hoch oben zogen Schwalben ihre Bahnen.
    Der Himmel über der Loire war immer weit und erhabend und je nach Jahreszeit strahlend blau oder grau und voller Gewitterwolken oder Schneestürmen im Winter. Ein andermal war er dann wieder hellblau, wenn es am Flussufer nach blühenden Haselsträuchern und Oleander duftete.
    »Eure Amandine ist ein kluges Tier, Alix, sie hat sich gleich mit dem kleinen Bearner Pferd von François angefreundet.«
    »Ja, das stimmt, Louise. Sie geht gern kurzen Trab, aber nicht so schnell wie die Pferde.«
    »Sie soll ja auch nicht wie verrückt galoppieren. Schließlich wollten wir einen Spazierritt machen«, meinte Marguerite lachend.
    Trotzdem trabten sie ziemlich schnell Richtung Fluss, als an einer Wegbiegung, die zur Loire führte, ein Reiter auftauchte. Der Mann schien groß und schlank und trieb sein Pferd nicht gerade zur Eile an.
    Am Zusammenfluss von Loire und Vienne, die an dieser Stelle sogar breiter ist, kreuzten sich dann ihre Wege. Die Pferde blieben stehen, und der Reiter grüßte Louise und ihr Gefolge höflich. Marguerite und François hielten sich im Hintergrund, aber Alix ließ, aus irgendeiner Ahnung heraus, Amandine ein paar Schritte vorgehen und blieb neben Louise stehen.
    Als die Begrüßung beendet war, fragte der Reiter mit
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