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Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie
Autoren: Amanda Mccabe
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will ich Euch sagen: Er ist der Halbbruder meines Sohnes.“
    „Wollt Ihr damit sagen …?“
    „Oh nein, er ist nicht mein Sohn, auch wenn ich stolz wäre, dies behaupten zu können. Ich verspreche Euch, Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass er Euch sicher über das Wasser bringt. Er ist Venezianer, und man sagt, die seien mit Meerwasser in den Adern geboren. Mir wäre lieber, er würde eine Weile hierbleiben, damit ich ihm eine passende Frau suchen könnte! Habt Ihr vielleicht eine Schwester, Marguerite? Oder eine Cousine?“
    Marguerite lachte wieder. Diesmal hatte ihr Lachen einen ehrlich glücklichen Klang. Sie schloss Doña Elena in die Arme. „Ich werde Euch vermissen.“
    „Und ich werde Euch und Nikolai vermissen“, antwortete Doña Elena und lächelte sie aufmunternd an. „Aber ich bin sicher, dass ich Euch wiedersehen werde.“
    Von Maske und Kostüm unkenntlich gemacht, wandte Señorita Alva sich ihnen zu. „Ich bin fertig! Wie sehe ich aus? Sehe ich französisch aus?“
    „Das möge der Himmel verhüten!“, rief Doña Elena. „Aber ich glaube, Ihr seht Marguerite ausreichend ähnlich. Jetzt müssen wir aufbrechen. Die Vorstellung kann beginnen.“
    Eingehüllt in ihren schützenden Mantel kauerte Marguerite sich am Fuß des Marmorbrunnens nieder. Ein kalter, steifer Wind hielt sie wach, erinnerte sie daran, was zu tun war. Das Theaterstück hatte inzwischen sicher schon angefangen, und das Schloss mit der auf den Zinnen thronenden Schönheit war bereits ins Theater getragen worden.
    Der Comte und die Comtesse, die ganze französische Gesellschaft würden glauben, dass sie, Marguerite, sich direkt vor ihnen befand. Und das würde ihr Zeit verschaffen zu verschwinden. Wenn erst einmal klar wurde, dass sie den englischen Hof verlassen hatte, war sie hoffentlich schon sicher im Frachtraum von Balthazars Schiff versteckt.
    Sie legte ihre behandschuhte Hand auf den Griff des Dolches. Bald, bald würde sie ihn nicht mehr brauchen. Das kleine Messer, das man benutzte, um die Trauben von den Weinstöcken zu schneiden, würde ihre einzige Waffe sein.
    Plötzlich nahm sie eine Bewegung wahr. Als sie sich vorsichtig umblickte, sah sie Nikolai, wie er leichtfüßig auf sie zueilte. Auch er trug einfache, dunkle Kleidung. Seine hellen Haare wurden von einer Kapuze verhüllt, aber Marguerite erkannte ihn an seinen geschmeidigen Bewegungen. Das Mondlicht schimmerte auf dem Degen an seiner Hüfte, der diesmal keine Bühnenwaffe war. Er war scharf geschliffen und tödlich.
    Als er sie erreichte, half er ihr hoch, gab ihr einen schnellen Kuss und umarmte sie fest. Seine Lippen waren warm und beruhigend, und Marguerite spürte, wie neue Kraft sie durchströmte. Die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft mit Nikolai war es wert, zu kämpfen, sich jeder Gefahr zu stellen.
    „Ist alles bereit?“, flüsterte sie.
    Er nickte. „Die Vorstellung läuft gut. Señorita Alva scheint es zu genießen, für dich einzuspringen!“
    Trotz ihrer Aufgeregtheit musste Marguerite lächeln. „Ich wette, sie ist eine bessere Schönheit, als ich es je hätte sein können.“
    „Mindestens ein oder zwei Stunden wird keiner nach dir suchen. Komm, Balthazar wartet am Fluss auf uns.“
    Hand in Hand hasteten sie durch die stillen Gärten. Während sie den Wachen auswichen, war das einzige Geräusch das Knirschen ihrer Stiefel auf den Kieswegen. Als der Fluss in Sichtweite kam, entdeckte Marguerite Balthazar schon aus einiger Entfernung. Sein kleines Boot dümpelte am Fuße einer Treppe zum Wasser, die gewöhnlich von Dienern und Händlern benutzt wurde und deshalb vom Palast aus nicht zu sehen war. Er winkte ihnen zu und bedeutete ihnen, sich zu beeilen.
    Wie nahe das kleine Boot und die Freiheit waren! Marguerites kalte Angst wich langsam einer hoffnungsvollen Vorfreude. Sie konnte ihre Freiheit bereits schmecken, so wie Nikolais Kuss. Nur noch ein paar Schritte, ein paar Schritte noch …
    „Halt!“
    Bei dem plötzlichen Ruf erstarrte Marguerite. Die Freude, die sie eben noch beflügelt hatte, war mit einem Schlag verschwunden. Alles war viel zu leicht, viel zu einfach gewesen. Sie hätte dem nie und nimmer trauen dürfen.
    Marguerite wirbelte herum. Mit einem Mal schien die Zeit langsamer zu vergehen. Sie hatte das Gefühl, durch klebrigen Zuckersirup zu waten, der sie umhüllte und gefangen hielt. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und das Geräusch, das entstand, als Nikolai seinen Degen aus der Scheide zog, klang unnatürlich
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