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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2
Autoren: Celia Friedman
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offen!
    »Ich komme wieder, um euch zu holen, meine Brüder«, flüsterte er in den stärker werdenden Wind hinein. »Das ist ein Versprechen.«
    Dann war der Regen da, und der Ikata kreischte protestierend. Rasch schwang sich Nyuku wieder auf seinen Rücken und ließ sich von den Buntglasflügeln umhüllen. Und schon stiegen sie in die Lüfte. Die lange Reise hatte begonnen.
    Nach Süden.

Kapitel 30
    Als Rhys’ Leichnam herausgetragen und auf die Bahre gelegt wurde, standen die beiden Monde hoch am Himmel. Ein kühles, geisterhaftes Licht spielte über seine Rüstung, sein Schwert, die Abzeichen in seinem Haar. Seine helle Haut war unversehrt, als hätte ihm der Tod nichts anhaben können, und die Hände waren so lebensecht vor der Brust gefaltet, dass man glaubte, er könnte jeden Moment aufstehen und dem Tod eine lange Nase drehen. Diese Wirkung war freilich durch Hexerei entstanden, die Seher hatten es sich nicht nehmen lassen, ihrem gefallenen Bruder dieses Geschenk zu machen. Lazaroths Angebot, das Gleiche mit Zauberei zu geringeren Kosten zu erreichen, hatten sie abgelehnt. Das Opfer war Ausdruck ihrer Trauer.
    Man hatte ihm die Rüstung angelegt, die Waffen ruhten an seiner Seite. Daneben standen auf einer Holzplattform mehrere Kisten und kleine Stoffbündel. Sie enthielten die wertvollsten Stücke seiner persönlichen Habe, hatte Gwynofar Kamala erklärt. Wenn ein Mann diese Welt verließ, sollte er von den Dingen umgeben sein, die ihm am liebsten und teuersten gewesen waren.
    Schließlich trat der Erzprotektor vor, und die Schar der Trauernden verstummte. Er streckte die Hand aus und winkte eine Frau zu sich. Sie war dunkel gekleidet, das Haar hing ihr offen und schmucklos um die Schultern, und als sie vortrat, liefen ihr die Tränen über die Wangen und zogen Furchen durch das Salz, das bereits auf der Haut angetrocknet war. Rhys’ Mutter. Auch Gwynofar stellte sich zu den beiden und half ihnen, ein Tuch aus feiner weißer Leinwand zu entfalten und behutsam über den Leichnam zu legen. Das Linnen war so dünn, dass man Rhys’ Gesicht darunter durchscheinen sah. Es wirkte so friedlich, als schliefe er.
    »Das ist mein Sohn«, verkündete der Erzprotektor der Trauergemeinde. »Die Götter haben ihn uns geliehen, nun fordern sie ihn zurück. Sein Leben war ehrenvoll – und sein Tod heldenhaft. Er gab sein Leben hin, um andere vor dem Tod zu bewahren. Wir werden ihn als Prinzen unseres Geschlechts in den Bäumen der Keirdwyn-Ahnen verewigen lassen, denn er hat sich seinen Platz unter ihnen verdient.«
    Er streckte eine Hand seitlich aus, und ein Diener trat vor und reichte ihm ein blitzendes Messer mit gebogener Klinge. Der Erzprotektor trennte damit von seinem Ärmel ein Stück Stoff ab und legte es auf das weiße Tuch. Dann gab er das Messer mit dem Heft voran an Rhys’ Mutter weiter, und sie vollzog das gleiche seltsame Ritual. Als Gwynofar an die Reihe kam, zerriss sie nicht ihr Gewand, sondern schnitt sich eine Locke ihres Haares ab und legte sie ehrfürchtig neben ihren Halbbruder. Dann beugte sie sich über ihn und küsste zärtlich seine Stirn unter dem dünnen Tuch.
    Danach zog eine feierliche Prozession an der Bahre vorbei. Als Erste kamen Salvator, die Erzprotektorin und alle Söhne und Vettern der Keirdwyn-Linie. Das Messer ging von Hand zu Hand, jeder schnitt sich ein Stück Stoff oder eine Haarsträhne ab, um Rhys’ Andenken zu ehren. Einige hatten zudem kleine Geschenke mitgebracht, die sie auf das weiße Linnen legten. Erinnerungsgaben. Auch die Magister Lazaroth, Ramirus und Colivar waren gekommen, um dem Toten ihren Respekt zu erweisen. Aber sie lehnten das Messer ab, und Kamala war überzeugt, dass die Dinge, die sie neben dem gefallenen Hüter niederlegten, nicht das Geringste mit ihnen zu tun hatten. Nur ein Narr hätte einen Gegenstand zurückgelassen, den seine Standesgenossen hätten gegen ihn verwenden können, noch dazu in Gegenwart von Rivalen.
    Und dann war sie selbst an der Reihe.
    Es war, als hielte die Nacht den Atem an! Die Dunkelheit verschluckte die anderen Trauergäste, als sie an die Bahre trat, sodass eine geradezu unheimliche Intimität entstand. Jemand reichte ihr das Ritualmesser und verschmolz gleich wieder mit den Schatten. Sie war mit Rhys allein.
    Sie schaute auf ihren Reisegefährten hinab, und die Brust wurde ihr eng. Aus den tiefsten Winkeln ihrer Seele stieg eine beklemmende Kälte auf, die ihr das Atmen schwer machte.
    Ich habe dich getötet.
    An dieser
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