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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2
Autoren: Celia Friedman
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mitgebracht hatten. Es war nur etwas mehr als einen halben Meter groß und hatte erst wenige dünne bläuliche Äste. Die beiden Frauen senkten es gemeinsam in das Grab und setzten es auf die Asche. Evaine hielt den Wurzelballen fest, während Gwynofar frische Erde einfüllte und ringsum andrückte. Als sie fertig war, hatte sie schwarze Fingernägel, und auf ihren Wangen glänzten frische Tränen.
    Sie setzte sich auf die Fersen zurück und blickte traurig auf das kleine Grab hinab. »Er hatte noch kein Gesicht«, flüsterte sie. »Wir haben nichts, was wir in die Rinde schnitzen könnten.«
    Ihre Mutter legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie sachte an sich. »Hast du ihm einen Namen gegeben?«
    Gwynofar nickte. »Anrhys. Nach seinem Onkel.« Sie wischte sich das Gesicht ab, ein Schmutzstreifen blieb zurück. »Einem der tapfersten Männer, die ich kenne.«
    »Ein guter Name«, sagte ihre Mutter leise. »Und es wird ein kräftiger Baum werden.«
    Schweigend warteten sie, bis die ersten Sonnenstrahlen auf das Grab fielen, dann sprachen sie flüsternd ein letztes Gebet.

    Der Palast der Hexenkönigin lag verlassen im Morgenlicht, wie ausgestorben trotz aller Pracht. Die Stille war mit Händen zu greifen und wurde nur unterbrochen, als die Luft zu flimmern begann und vier Magister aus dem Zauberportal traten. Doch das war gleich vorüber. Das Portal hatte seinen Zweck erfüllt und löste sich auf, und wieder herrschte diese Grabesstille.
    Sula zog hörbar den Atem ein. Selbst er, der Jüngste und Unerfahrenste unter den Magistern, die mit Siderea das Bett geteilt hatten, konnte spüren, dass hier etwas nicht stimmte. Es lag wie ein Schatten über allem. »Das gefällt mir gar nicht.«
    Auch Lazaroth und Ramirus schienen beunruhigt, obwohl Colivar bezweifelte, dass die beiden schon einmal hier gewesen waren. Er selbst sagte nichts, steuerte aber unverzüglich auf die blendend weißen Torbögen zu, durch die man in den Palast gelangte.
    Kein Diener kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen oder zumindest ihre Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Colivar führte die anderen durch die Vorhalle zu den öffentlichen Räumen. Nichts. Erst als sie sich den Privatgemächern der Hexenkönigin zuwandten, bemerkten sie eine Bewegung. Wie sich herausstellte, war es nur ein Vogel vor dem Fenster.
    Wir kommen zu spät , dachte Colivar.
    Vor dem Schlafgemach blieb er stehen. Der eigenartig süßliche Geruch war hier sehr ausgeprägt und rief, da er ihn nun zuordnen konnte, Erinnerungen wach. Grausame Erinnerungen, primitiv im Ton, in krassem Widerspruch zu seiner jetzigen Lebensweise. Er musste sich für einen Moment an der Wand abstützen, bis er sich aus der Welle freigekämpft hatte.
    Die Macht einer Königin hat diesen Ort berührt , überlegte er, als das Schlimmste überstanden war. Eine Erkenntnis, die Staunen und Entsetzen hervorrief.
    Auch im Schlafgemach fanden sie keine Hexenkönigin, aber zum ersten Mal ein lebendes Wesen. Neben dem großen Bett lag eine Zofe, zusammengerollt wie ein Kind, auf dem Boden und schlief. Lazaroth kniete neben ihr nieder und stieß sie an, aber sie regte sich nicht. Er schüttelte sie heftiger: immer noch keine Reaktion. Schließlich gab er ihr eine schallende Ohrfeige, die einen roten Abdruck auf der blassen Haut zurückließ, aber sie schlief weiter.
    »Der Schwarze Schlaf.« Ramirus’ Stimme klang besorgt. »Wird sie sich wieder erholen?«
    »Kann sein«, sagte Colivar. »Wenn die Ursache für ihren Zustand nicht zurückkehrt.«
    In diesem Augenblick war von draußen ein Geräusch zu hören. Die Magister drehten sich rasch um. Ein kleiner Junge trat ein. In seinen großen Augen standen Tränen, seine Kleidung war zerknittert und schmutzig. »Kommt Ihr uns zu Hilfe?«, fragte er. Seine Stimme zitterte. »Wisst Ihr, was hier geschehen ist?«
    »Das würden wir gern von dir erfahren«, sagte Sula in besänftigendem Tonfall.
    Der Junge schloss kurz die Augen. »Da war eine große Bestie mit Schwingen so blau wie Saphire. Sie schwebte mehr als eine Stunde über dem Palast. Zuerst stiegen die Männer auf das Dach, um sie besser sehen zu können, und einige redeten davon, sie zu töten. Sie kamen nicht wieder herunter. Dann wurde den Leuten schwindlig. Sie konnten sich nicht mehr auf den Beinen halten. Sie fielen einfach um und … schliefen ein. Ich konnte sie nicht aufwecken.« Jetzt liefen ihm die Tränen über das Gesicht. »Ich habe es immer wieder versucht, aber sie waren wie tot.
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