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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2
Autoren: Celia Friedman
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Tod, um die Welt vor dem Tod zu bewahren. Gedenkt unseres Mutes. Gedenkt unseres Opfers. Haltet das Geschenk der Freiheit in Ehren, das wir den folgenden Generationen vererben, und lasst es nicht verkommen, auf dass wir nicht umsonst gelitten haben …

    Die Bilder erloschen so schnell, wie sie gekommen waren. Für einen winzigen Moment glaubte Gwynofar, all die anderen Lyr -Seelen zu spüren, mit denen sie verbunden war, und wusste, dass die stärksten von ihnen die Visionen in ihrer Gesamtheit mit ihr geteilt hatten, während alle anderen nur einen kurzen, erschreckenden Schwall von Macht erlebt hatten, der bruchstückhafte Bilder zurückließ wie von einem halb erinnerten Albtraum. Ganz kurz nur waren sie alle für Gwynofar gegenwärtig – mit ihrer Verwirrung, ihrer Angst –, zusammen mit dem Bild eines brennenden Netzes, das sich in ihr Gehirn gebrannt hatte. Dann wurde es dunkel. Der Feuersturm war vorüber.
    Stille.
    Gwynofar fror und hatte Schmerzen, doch sie zwang sich, die Augen zu öffnen und sich umzusehen. Zu ihren Füßen lag etwas, das einmal ein Mensch gewesen sein mochte. Nun war der Kopf nur noch ein formloser Fleischklumpen, als wäre er von innen heraus explodiert. Dahinter standen zwei von Anukyats Hütern, denen das Erlebnis offensichtlich die Sprache verschlagen hatte. Sie holte tief Atem, nahm alle Kräfte zusammen und erhob sich. All die Jahre, in denen sie sich von Amts wegen hoheitsvoll hatte geben müssen, halfen ihr nun, eine Stärke zu zeigen, die sie nicht empfand. Dabei zitterten ihre Beine so sehr, dass sie kaum aufrecht zu stehen vermochte; sie wäre froh gewesen, sie unter einem Frauengewand verbergen zu können.
    Es war wohl an der Zeit, mit diesen Männern zu sprechen. Die Visionen in einen sinnvollen Zusammenhang stellen. Ihnen sagen, dass es keine Rolle spielte, ob ihre besondere Gabe ein Geschenk der Götter war oder nur eine Laune der Natur. Letztlich lief es auf das Gleiche hinaus. Die nordischen Blutlinien waren gegen die Macht der Seelenfresser gefeit. Sie mussten die drohende Invasion gemeinsam bekämpfen!
    Aber sie trug ein totes Kind im Schoß und fand keine Worte.
    Auf unsicheren Beinen wankte sie zur Falltür. Keiner der Männer versuchte sie aufzuhalten. Einer trat sogar ein wenig zurück, um ihr den Weg frei zu machen. Alle sahen sie mit großen Augen an. Sie glauben, ich hätte das getan , erkannte sie. Sie glauben, meine Macht hätte sie berührt und ihnen die Wahrheit offenbart.
    Die Hand des einen Gardisten öffnete sich, und sein Schwert fiel mit lautem Klirren zu Boden. Er zögerte kurz, dann ließ er sich vor ihr auf ein Knie nieder. Der andere folgte seinem Beispiel und legte ihr ebenfalls sein Schwert zu Füßen.
    Es war eine Geste, die sie in irgendeiner Form würdigen sollte, aber sie war in ihrer Trauer wie erstarrt und konnte nur an eines denken. Rhys. Unbeholfen stieg sie die Leiter zum Beobachtungsstand hinab. Ich muss Rhys suchen. Überall lagen Leichen auf dem Boden, sie tastete sich durch glitschige Blutlachen zur großen Treppe. Ein alkalischer Gardist stand noch da und machte ihr eilends Platz. Was musste sie für einen grauenvollen Anblick bieten! Über und über mit Staub bedeckt, das Gesicht von Tränen verschmiert, die Kleidung blutdurchtränkt nach ihren verschiedenen Opfern …
    Drei Windungen nach unten. Vier. Sie kam an der Stelle vorbei, wo sie sich von ihrem Halbbruder getrennt hatte, um durch das schmale Fenster nach draußen zu schlüpfen. Ein halbes Leben schien seither vergangen. Fünf Windungen. Sechs. Sie stieg immer wieder über Leichen und suchte unter den Lebenden und unter den Toten nach Rhys. Die Krieger, die noch auf den Beinen waren, wirkten wie benommen und nahmen sie kaum wahr. Sie standen noch unter dem Eindruck der Albtraumvisionen, die durch sie zu ihnen gelangt waren. Durfte sie hoffen, dass auch Rhys noch am Leben war?
    Und dann fand sie ihn. Er lag schräg auf den Stufen, sein Kopf lehnte an der Innenwand. Er hatte die Augen geschlossen und sah so friedlich aus, als wäre er eben eingeschlafen. Aufschluchzend kniete sie neben ihm nieder, streichelte seine Wange, rief seinen Namen. »Rhys! Rhys!« Aber seine Brust hob sich nicht, und er schlug die Augen nicht auf. Als sein Kopf unter ihrer Hand zur Seite rollte, sah sie die tiefe Wunde an seinem Hals und die Blutlache darunter. Er war noch warm. Bei den Göttern, er war noch warm …!
    Nun brach auch der letzte Damm, und sie konnte die Tränen nicht mehr
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