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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin
Autoren: Celia Friedman
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um sie auszulegen, doch als seine Worte durch die warme, weihrauchgeschwängerte Luft schwebten, zog sie die Hand wieder weg, lehnte sich zurück und sah ihn lange an.
    »Ihr wisst, dass ich Euch diese Frage nicht beantworten kann«, sagte sie endlich. »Falls der König versteckte Absichten hegen sollte, werden solche Geheimnisse von seinen Magistern gehütet, und deren Schutzzauber sind mit allen Karten und Kristallen der Welt nicht zu überwinden. Und selbst angenommen, ich wäre tatsächlich in die Geheimnisse eingedrungen … glaubt Ihr, ich könnte mich in dieser Stadt noch lange halten, wenn ich sie für eine Handvoll Münzen an einen Fremden verkaufte?« Sie schob die Goldstücke über den Tisch. »Ich bedaure. Bitte nehmt Euer Geld zurück.«
    Er sah den Hunger in ihren Augen. Sie wollte die Wahrheit wissen, wagte aber nicht zu fragen. Das erlebte er immer wieder, wenn er auf Hexen oder Hexer traf. Sie ahnten, wer er tatsächlich war, aber sie vertrauten ihren eigenen Instinkten nicht genug, um ihre Ahnungen auch in Worte zu fassen.
    »Loyalität verdient ihren Lohn«, sagte er ruhig. »Du kannst es behalten.«
    Ohne ein weiteres Wort verließ er das Zelt. Er war überzeugt, dass sie ihre Karten wieder aufnehmen und nach ihm befragen würde, sobald er außer Sichtweite war. Diesmal hinderte er sie nicht daran, die Antworten zu finden. Wenn sie kostbare Augenblicke ihres Lebens darauf verschwenden wollte, in Erfahrung zu bringen, wer und was er war, wie käme er dazu, dieses Opfer fruchtlos zu machen?
    Zum anderen Ende des Platzes hin gab es eine Fläche, wo man den Händlern verwehrt hatte, ihre Buden und Zelte aufzuschlagen. Als der Fremde darauf zusteuerte, erkannte er auch den Grund dafür. Von dort aus hatte man freien Blick auf den Palast – und umgekehrt war dieser Bereich vom Palast aus einsehbar. Womöglich schaute König Danton aus seinem Fenster und müsste sehen, wie die dreckigen Bauern ihrer Arbeit nachgingen! Gott bewahre! Nein, dieser Platz so dicht vor dem Palast wurde als Promenade genützt, wo saubere, gut gekleidete Bürger die frische Morgenluft genießen und die jungen Prinzen des Reiches ans Fenster treten und sie von ferne bewundern konnten. Vielleicht entdeckte einer von ihnen sogar eine blühende Maid in ihrem Sonntagsstaat, kam schnurstracks aus dem Palast gelaufen und entführte die Glückliche in ein Leben in Reichtum und Muße. Jedenfalls erhofften sich das wohl die jungen Damen, wenn sie am Arm von schüchternen Jünglingen, an denen ihnen im Grunde nichts lag, auf und ab flanierten und von dem Tag träumten, an dem das Auge eines vornehmeren Verehrers auf sie fiele.
    Heute drängten sich auf der Promenade so viele Menschen, dass man kaum noch atmen konnte. Bauern wie Händler wollten unbedingt einen Blick auf die breite Straße werfen, die dahinter zu den Palasttoren führte. Dort sollte nämlich der fremde Magister in die Stadt einreiten, in schwarze Seide gehüllt, auf einem schwarzen Pferd, begleitet von die Götter wussten wie vielen Würdenträgern. Seit Menschengedenken hatte es keinen Staatsbesuch aus Anchasa mehr gegeben, und die Klatschmäuler, für die Histörchen aus dem Königshaus das tägliche Brot waren, schwatzten unaufhörlich, während sie darauf warteten, den hohen Gast zu empfangen und aus jeder Kleinigkeit wie der Größe seines Gefolges oder der Art, wie er gekleidet war und sich benahm, ihre Schlüsse zu ziehen.
    Die Menschen ändern sich nie , dachte der Fremde.
    Er sah eine Weile zu, doch vermochte die Szene ihn nicht lange zu fesseln. Immerhin war die Menge nur auf Gerüchte hin zusammengeströmt, eine Verlautbarung aus dem Königshaus hatte es nicht gegeben. Durchaus möglich, dass der große Aufmarsch gar nicht stattfand. Für die Bauern mit ihrer angeborenen Leidenschaft für glanzvolle Prozessionen schwer zu begreifen, außerdem war König Danton natürlich bekannt dafür, aus dem kleinsten Anlass ein festliches Ereignis zu machen, aber das war nicht überall so, und wer tagtäglich mit dem Reichtum und der Macht ganzer Völker befasst war, fand solche Umzüge eher ermüdend. Ganz zu schweigen davon, dass man bei dieser Hitze Ströme von Schweiß vergoss. Ein echter Magister würde sich nur ungern so zur Schau stellen, dachte der Fremde, aber er könnte mit großem Pomp sein Gepäck vorausschicken, zur Freude für die Bauern und vielleicht als versteckte Beleidigung für den König, der ihn wohl oder übel gastfreundlich aufnehmen musste.
    Er
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