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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin
Autoren: Celia Friedman
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würden.«
    »Still«, mahnte einer der ansässigen Magister mit einem Blick auf die mächtigen Eichentüren, die nach draußen führten. »Der Mann hat seine Ohren überall.«
    »Und seine Diener.«
    »Diener und Spitzel lassen sich kneten wie frischer Ton«, konterte Colivar. »Und die Töpfer sind wir.«
    »Mag sein«, räumte der Magister mit dem weißen Bart ein, »aber hier im Norden legen wir großen Wert auf Diskretion.«
    »Aha.« Colivar klopfte sich erst von einem, dann vom anderen Hemdärmel den Staub ab. »Wollt ihr mir nun verraten, warum ihr gegen den Strom der Morati-Politik geschwommen seid und mich hierher geholt habt, oder muss ich es mir selbst zusammenreimen? Ich warne euch«, fügte er hinzu, und seine Augen wurden hart, »meine Schlussfolgerungen werden euch nicht gefallen.«
    Der Magister mit dem weißen Bart musterte ihn kurz, dann nickte er. »Vielleicht wird manches klarer, wenn wir uns bekannt gemacht haben. Ich heiße Ramirus und bin König Dantons Königlicher Magister.« Er nannte auch die Namen seiner beiden Nachbarn, die ebenfalls diesem Hof angehörten. Dann wies er auf einen dunkelhäutigen Mann, der einen schwarzen Burnus und einen Turban trug. »Und dies ist Severil von Tarsus.«
    Colivar verging die Spottlust so schnell, wie sie ihn überkommen hatte. »Tatsächlich? Ein Tarsaner? Dann hat er selbst für jemanden, der über das Seelenfeuer gebietet, eine weite und beschwerliche Reise hinter sich. Es ist mir eine Ehre, einen Mann aus so fernen Landen kennenzulernen.«
    »Und das ist Del von den Mondinseln.«
    Colivar hob leicht die Augenbrauen und würdigte auch die Entfernung und die Mühen dieser Reise mit einem wortlosen Nicken.
    »Suhr-Halim von Hylis. Fadir von Korgstaat. Tirstan von Gansang.«
    So ging es weiter. Namen und Titel in zwei Dutzend Sprachen aus ebenso vielen Reichen. Zwei der Magister kamen aus Ländern, die Colivar nicht einmal vom Hörensagen kannte, dabei hatte er geglaubt, mit den Gegebenheiten der bekannten Welt vertraut zu sein.
    »Ein beachtliches Aufgebot«, sagte er, als ihm schließlich alle Anwesenden vorgestellt worden waren. In seiner Stimme schwang kein Spott mehr mit, jetzt hatte sie einen kälteren Ton. »Ich habe noch nie erlebt, dass sich so viele von uns aus allen Himmelsrichtungen an einem Ort versammeln. Es liegt nicht in unserer Art, einander zu vertrauen, nicht wahr, meine Brüder? Daraus schließe ich, dass eine dringende und ungewöhnlich schwere Notlage der Grund ist, warum unser Bruder Ramirus uns alle hier zusammengerufen hat.«
    »Wenn ich von einer Bedrohung unserer Existenz spräche«, sagte Ramirus ruhig, »würde dir das genügen?«
    Colivar erwog diese Worte mit dem Ernst und der Sorgfalt, die ihnen gebührten, dann nickte er.
    »Nun gut«, sagte der Königliche Magister. »Dann komm jetzt mit mir und überzeuge dich selbst.«
    Damit führte er seinen misstrauischen Gast ohne ein weiteres Wort aus dem dämmrigen Raum und begab sich mit ihm ins Herz des Palastes.

Kapitel 2
    Aethanus erinnert sich:
    Jemand steht vor seiner Tür und geht einfach nicht weg. Er überhört das Klopfen schon eine ganze Weile, er will nicht gestört werden, aber der Besucher kommt immer wieder. Das Klopfen ist leise, aber hartnäckig, nicht fest genug, um ihn so richtig wütend zu machen, und die Versuche erfolgen in weitem Abstand, als sollte er nicht unter Druck gesetzt, sondern nur daran gemahnt werden, dass ihn der Besucher weder vergessen noch aufgegeben hat.
    Endlich erhebt er sich und lässt mit einem Seufzer die Cantoni-Hieroglyphen ruhen, auf deren Entzifferung er so viel Mühe verwendet, um nachzusehen, wer da glaubt, er könnte seine Zeit auf Besucher verschwenden.
    Es ist ein Frühlingstag ( er weiß es noch gut ), und als er die Tür öffnet, fegt ein Schwall pollengeschwängerter Luft in sein Studierzimmer. Frisch, wohlriechend und voller Leben. Er hätte in seinem Haus mehr Fenster vorsehen sollen, geht es ihm durch den Kopf, doch er hatte nur an die Heizung im Winter gedacht und sich zurückgehalten.
    Auf der Schwelle steht ein Mädchen, nein, eine junge Frau. Kein Kind mehr, aber klein und schmächtig genug, um auf den ersten Blick dafür gehalten zu werden. Dass sie ein schweres Leben hat, sieht er auch ohne Magie, es hat sich in ihre Züge eingegraben, in ihre Bewegungen, sogar in ihre Atmung. Er sieht auch, dass sie bislang den Umständen getrotzt hat und Siegerin geblieben ist. In ihren Augen glänzt die kalte Entschlossenheit, die
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