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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin
Autoren: Celia Friedman
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überhaupt, daneben verblassen alle anderen.
    »Und wenn ich dir sagte, dass wir den Tod annehmen müssen, um ihn zu überlisten?«, fragt er. »Was würdest du darauf antworten?«
    Ein spöttisches Lächeln umspielt ihre Lippen – umspielt sie und ist gleich wieder verschwunden. »Wer sein Leben als Hure verbringt, ist auf solche Geschäfte vorbereitet«, sagt sie dann ruhig.
    Ja. Ja, das mag sein.
    Er richtet sich abermals auf und sieht, dass sie den Fuß nicht mehr in der Tür hat. Das hat sie nicht mehr nötig. Sie weiß, dass sie ihn neugierig gemacht hat. Ein Magister aus der Stadt würde sie abweisen, weil er Wichtigeres zu tun hat, aber ein Einsiedler, der sich in den Wäldern vergräbt und sein Leben mit Nachdenken und obskuren Forschungen verbringt, der den gängigen Magistergeschäften bis ans Ende seiner Tage abgeschworen hat und deshalb mit seiner Zeit nicht viel anzufangen weiß, ein solcher Mann könnte sich durchaus verleiten lassen, einfach deswegen ein Mädchen als Schülerin anzunehmen, weil das eine Herausforderung ist. Eine aberwitzige, unglaubliche und vollkommen sinnlose Herausforderung.
    Es gibt keine weiblichen Magister. Es hat sie nie gegeben und wird sie niemals geben.
    Sie wartet. Schweigend. Ein gutes Zeichen. Selbstbeherrschung ist immer ein gutes Zeichen.
    Stell dir vor, es könnte weibliche Magister geben. Wäre das nicht eine Sensation? Eine ungeheuer spannende Aufgabe?
    »Wie heißt du, Kind?«
    Ihre Augen blitzen kurz auf, sie sträubt sich gegen die Anrede – das war seine Absicht –, aber ihre Stimme bleibt ruhig und höflich. »Man nennt mich Kamala, Herr.«
    »Und wenn ich ablehne, Kamala?« Auch er spricht gelassen und förmlich. »Wenn ich dir sage, ich hätte geschworen, nie wieder einen Schüler anzunehmen – was im Übrigen die Wahrheit ist – und wenn ich dir weiterhin sage, dass es Gründe gibt, warum es noch nie einer Frau gelungen ist, die Magie zu meistern, dass ich diese Gründe kenne, dass du keine Ausnahme sein wirst, und dass ich nicht vorhabe, meine Zeit mit dir zu verschwenden … wenn ich dir das alles sage und dir die Tür vor der Nase zuschlage, was tust du dann?«
    »Dann schlage ich vor Eurem Haus mein Lager auf«, gibt sie zurück, »und diene Euch, so gut ich es kann, so lange, bis Ihr Eure Meinung ändert. Ich werde wie jeder Schüler für meinen Unterricht bezahlen. Ich werde Holz spalten für Euren Herd, ich werde in Eurem Garten das Unkraut jäten, ich werde Euch täglich mit meinen eigenen Händen frisches Wasser vom Bach holen – mit meinen eigenen Händen und im Schweiße meines Angesichts –, und bei alledem werde ich keine Hexenkünste einsetzen, obwohl ich das wahrscheinlich könnte. Ich werde nicht nachlassen, bis Ihr Euch bereitfindet, mir beizubringen, wie ich die Macht gebrauchen kann, ohne daran zu sterben. Ihr werdet mich Tag für Tag für Euch schuften sehen und in Eurem Herzen wissen, dass ich niemals aufgeben werde, und irgendwann werdet Ihr mich lehren, was ich wissen will.«
    Die Diamantaugen funkeln ihn trotzig an.
    Er richtet sich langsam wieder auf. Nun überragt er sie um viele Handspannen. Dann wendet er ihr den Rücken. Er hört nicht, dass ihre Schritte ihm folgen, kein Widerspruch wird laut. Gut. Er geht zu der Ecke, wo er sein Werkzeug aufbewahrt, wählt eine schwere Axt, die nur ein starker Mann mühelos schwingen könnte, und kehrt damit an die Tür zurück. Sie wartet immer noch. Schweigend. Gut.
    Er wirft ihr die Axt mit der Klinge voran vor die Füße.
    »Der Holzhaufen ist hinter dem Haus«, sagt er.
    Sie hat den Fuß zurückgezogen. Er schließt die Tür und setzt sich wieder an sein Schreibpult. Nachdem er den Docht der Leselampe höher gedreht hat, legt er die nächste Cantoni-Schriftrolle aus und beschwert die Ecken mit Flusskieseln.
    Doch zu lesen beginnt er erst wieder, als er die ersten Schläge der Axt hört.

Kapitel 3
    Die Mauern von König Dantons Palast waren aus uraltem Stein. Davor hingen Wandteppiche in einstmals bunten und fröhlichen Farben, die jedoch nach so langer Zeit ineinander verlaufen und von der Sonne ausgebleicht worden waren. Die Teppiche waren ohne Zweifel von historischem und für Seine Majestät vielleicht auch von sentimentalem Wert; sonst hätte man die traurigen Fetzen doch längst abgenommen, dachte Colivar.
    Vor einer Schlachtenszene blieb er stehen, und Ramirus ließ ihm Zeit. Auf dem riesigen Teppich waren Hunderte von Soldaten abgebildet, und obwohl die Fahnen der
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